Zum Hauptinhalt springen

Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Ali Al-Dailami,

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf soll Ihrer Darstellung nach dafür Sorge tragen, dass die Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr beschleunigt werden. Sie begründen Ihren Gesetzentwurf unter anderem mit den Herausforderungen des Klimawandels und fordern daher, dass künftig auch bei der Rüstungsvergabe „umweltbezogene Vergabekriterien“ eine wichtige Rolle spielen sollen. Sie sprechen im Gesetzentwurf gar von „grünen Leitmärkten“ und wollen „eine nachhaltige Verteidigungsindustrie“ schaffen. Hört sich gut an, ist aber leider eine Mogelpackung. Denn ganz nebenbei erklären Sie zum Beispiel in § 4 Ihres Entwurfes, dass bei der Auftragsvergabe von Kooperationsprogrammen mit einem anderen EU-Mitgliedstaat oder der EU selbst bestimmte Teile des Wettbewerbsbeschränkungsgesetzes nicht anzuwenden sind: jene Teile nämlich, die in der Vergabe „soziale und umweltbezogene Aspekte“ fordern. Genau diese gemeinsamen europäischen Beschaffungsvorhaben sind aber der wesentliche Gegenstand ihres Gesetzentwurfs.

Dieser Paragraf ist auch ein Geschenk an die Rüstungsindustrie. Diese befürchtet nämlich, ihre Waren könnten als sozial oder ökologisch schädlich eingestuft werden und bei der Umsetzung der EU-Taxonomie, die nachhaltige Investitionen mit Milliardenbeträgen fördert, möglicherweise leer ausgehen. Der Herabsenkung von Sozial- und Umweltaspekten in der Rüstungsbeschaffung wird mit Ihrem Gesetzentwurf Tür und Tor geöffnet. Ihren eigenen Ansprüchen einer „Fortschrittskoalition“ werden Sie so sicher nicht gerecht.

Mit dem Gesetz, welches Sie hier vorlegen, soll zudem ein europäischer Rüstungssektor geschaffen werden, der global konkurrenzfähig ist. Ihr Entwurf liest sich wie eine Ergänzung zum Verteidigungspaket der EU, welches Rüstungsgroßprojekte vollständig von der Mehrwertsteuer befreien will. Das mittelfristige Ziel ist es, die europäischen Rüstungsschmieden vor allem gegen ihre Konkurrenten aus den USA erfolgreich aufzustellen. Die globale Aufrüstungsspirale wird hiermit nicht abgebremst, sondern immer schneller weitergedreht. Dies ist brandgefährlich und hat mit einer vereinfachten Beschaffung, welche die Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verbessern sollte, gar nichts mehr zu tun.

Weiter kündigen Sie unter Berufung auf die veränderte sicherheitspolitische Lage an, das Beschaffungswesen noch intransparenter gestalten zu wollen. So heißt es: „jegliche Informationen, die Aufschluss über die Art und den Umfang der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr sowie der Bündnispartner der Bundesrepublik Deutschland geben können“, stärker vor dem Zugriff feindlich gesinnter Staaten schützen zu wollen. Doch hier lässt sich klar ein Ausweichmanöver erkennen: Schließlich sind alle öffentlich zugänglichen Informationen auch allen Staaten dieser Welt zugänglich. Im Kern geht es also auch darum, der deutschen Öffentlichkeit möglichst überhaupt keine Informationen zu Rüstung und Militär mehr zukommen zu lassen.

Wiederholt erwähnen Sie, wie dringlich dieses Gesetz doch sei. Auch Ministerin Lambrecht hat in der Befragungsrunde am Mittwoch erneut gefordert, dass das noch unbedingt vor der Sommerpause durchgedrückt werden muss. Das Wort „schnellstmöglich“ findet sich in Ihrem Gesetzentwurf ganze 19-mal. Warum haben Sie es denn so eilig, meine Damen und Herren? Sie begründen das Gesetz, genau wie auch die 100 Milliarden Euro Sonderschulden, mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Zunächst war diese Forderung nach massiver Hochrüstung in der Bevölkerung laut Umfragen auch mehrheitsfähig. Doch dieses Zeitfenster wird sich schließen. Liegt Ihre große Eile nicht vielleicht auch darin begründet?

Sie können mit diesem Gesetzentwurf nicht überzeugend darlegen, dass Sie das Beschaffungswesen verbessern wollen.