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Zivil-Militärische Zusammenarbeit: Vorsicht vor vergifteten Rezepturen

Rede von Paul Schäfer,

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Wie schön, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir zu vorgerückter Stunde nicht nur einen Bundeswehreinsatz mandatieren, sondern auch über zivile Konfliktbearbeitung reden. Aus dem Alltag kennen wir ja den sinnvollen Grundsatz „Vorbeugen ist besser als Heilen“. Ich finde, dieser ist auch unbedingt in der Außenpolitik zu beachten.

Wenn dann doch geheilt werden muss, gilt allemal: Eine schonende Behandlung ist in aller Regel besser, als mit Brachialgewalt vorzugehen, schon allein deshalb, weil man dadurch die Nebenwirkungen - hier sollte ich vielleicht besser von Kollateralschäden reden - geringer halten kann. (Beifall bei der LINKEN)

Schließlich ist darauf zu achten, dass bei den Arzneimitteln auch das drin ist, was außen draufsteht. Spätestens seitdem im Zweiten Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ European Battle-Groups, also schnelle Eingreiftruppen, als Instrumente der Krisenprävention angeführt werden, weiß man, dass man es mit einer Mogelpackung zu tun hat, wenn die Bundesregierung von ziviler Krisenprävention redet. (Beifall bei der LINKEN)

Dieses Beispiel zeigt, dass wir schon sehr genau gucken müssen, womit wir es zu tun haben, wenn heute von vernetzter Sicherheit und zivil-militärischer Zusammenarbeit die Rede ist. Letztlich geht es um die Frage, ob wir es nicht vielleicht auch mit einer vergifteten Rezeptur zu tun haben.

Das Zivil-Militärische ist ja so bahnbrechend neu nicht. Die amerikanischen Militärs haben schon längst gelernt, dass sie bei Interventionen in innerstaatliche Konflikte - darum handelt es sich ja auch heute zumeist - mit militärischen Mitteln nicht weit kommen. Es steht schon in Handbüchern der US-Army zur Aufstandsbekämpfung aus den 50er-Jahren, dass der wirtschaftliche Aufbau entscheidend ist, dass es entscheidend ist, möglichst schnell eine vernünftige Regierung zu etablieren, und dass man die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen muss. Aber was ist im wirklichen Leben daraus geworden? Das kann man an Vietnam studieren, am Irak und konnte man auch lange Zeit in Afghanistan studieren.

Deshalb ist Vorsicht geboten bei solchen Rezepten - diese muss man genau abklopfen -, die von militärisch geführter Außenpolitik vereinnahmt werden, um damit weiterzukommen. Damit muss man sich kritisch auseinandersetzen. Die Grünen tun dies nicht oder zu wenig; und das merkt man dem Antrag an.

Wer sich wirklich schlaumachen will und sich über Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung als eine Alternative und nicht als Anhängsel des Militärischen Gedanken machen will, dem empfehle ich die aktuelle, gerade erschienene Studie Erfolgreich gewaltfrei von Christine Schweitzer, die für das Institut für Auslandsbeziehungen erarbeitet worden ist. Dort sind eine Menge Vorschläge enthalten, die durch praktische Politik umgesetzt werden könnten.

Ich möchte nur drei Elemente nennen: Erstens. Es ist entscheidend, in Konflikte einzugreifen, bevor sie gewaltträchtig werden. Das heißt, wir müssen uns über Frühwarnsysteme Gedanken machen und uns vor allem auf die zivilgesellschaftlichen, lokalen Akteure vor Ort stützen.

Zweitens. Es darf nicht zu einer Arbeitsteilung der Art kommen, dass sich auf staatlicher Ebene um die militärischen Mittel gekümmert wird, während die zivilgesellschaftlichen Akteure für die zivilen Mittel zuständig sind. Der absolute Vorrang des Zivilen muss für alle Akteure gelten, weil nur so eine Zivilisierung von Konflikten zu erreichen ist. (Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Die Konfliktbearbeitung muss entscheidend durch die staatlichen bzw. zivilgesellschaftlichen Akteure vor Ort erfolgen. Frieden ist nur zu erreichen, wenn er von der jeweiligen Bevölkerung mitgetragen wird. Das ist gleichbedeutend mit einer Absage an alle paternalistischen, bevormundenden Konzepte des sogenannten Nation-Building, das von außen und mit militärischer Hilfe vorangetrieben wird. Das funktioniert nicht, (Beifall bei der LINKEN) bzw. der Preis dafür ist, wie man am Beispiel Irak sehen kann, zu hoch.

Der Antrag der Grünen - leider haben wir sehr wenig Zeit, ihn zu diskutieren - enthält in der Tat vieles, was an Regierungshandeln in den nächsten vier Jahren umgesetzt werden müsste. Uns fehlt die Trennschärfe zu dem, was ich als vergiftete Rezeptur bezeichnet habe. Es fehlt eine klare Distanz zum militärischen Interventionismus der NATO und der EU. Deshalb werden wir dem Antrag in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen können. Wir werden uns enthalten, um zu dokumentieren, dass er eine Menge enthält, was unterstützt und aufgegriffen werden muss, wenn wir den fälligen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik erreichen wollen.

Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Paradigmenwechsel ist von euch noch nichts Konstruktives gekommen!)