Restitution
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auf Antrag der FDP sollen wir heute die Bundesregierung auffordern, im Herbst dieses Jahres in Berlin eine Nachfolgekonferenz der Washington Conference on Holocaust-Era Asets durchzuführen.
Ich wette, aus dieser Konferenz wird nichts. Wie würde Deutschland auf dieser Konferenz dastehen? Im Antrag der FDP heißt es: „Angesichts der besonderen moralischen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland bei der Aufarbeitung der in der Zeit des Nationalsozialismus entstandenen Vermögensverluste und der Restitution von NS-Raubkunst hat“, sollte erstens „analysiert werden, welche Ziele der Washingtoner Erklärung bereits erreicht werden konnten“, und zweitens sollten internationale Erfahrungen mit der Umsetzung ausgetauscht sowie „vorbildhafte Vorgehensweisen und Strukturen identifiziert werden.“ Wie würde Deutschland da abschneiden?
Die Sachverständige Monika Tatzkow hat bei der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Kultur und Medien festgestellt:
Tatsache ist …, dass die Bundesrepublik Deutschland anders als Länder, die von Nazi-Deutschland in Westeuropa überfallen und besetzt wurden oder denen der Krieg erklärt wurde, bei der Umsetzung der Washingtoner Erklärung noch ganz am Anfang steht. Neun Jahre nach der Erklärung wissen wir nicht viel; der Informationsstand ist sehr unzureichend.
Das war vor einem Jahr. Viel hat sich seitdem weiß Gott nicht geändert.
(Monika Grütters (CDU/CSU): Doch! Die Arbeitsstelle Provenienzrecherche!)
Die lang angekündigte Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und forschung unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist personell immer noch nicht besetzt. Sie hat noch keinen einzigen Arbeitstag hinter sich gebracht. Ihre finanzielle Ausstattung mit 1 Million Euro 200 000 Euro Zuschuss von den Ländern kommen noch hinzu ist keineswegs ausreichend für die Aufarbeitung dieses seit Jahrzehnten vernachlässigten Bereiches. Auch der Fachbeirat bei der Koordinierungsstelle für Kulturverluste in Magdeburg hat seine Arbeit noch nicht aufgenommen. All das steht nur auf dem Papier. Heute veröffentlichte der Staatsminister eine Presseerklärung; tatsächlich ist aber noch gar nichts geschehen.
Noch eines: Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung das Ausfuhrverbotsgesetz für Kunstwerke verschärft und NS-Raubkunst davon nicht ausgenommen, ganz anders als Österreich, das sein Gesetz, nach dem die Ausfuhr von Raubkunst verboten ist, für diese Fälle ausdrücklich außer Kraft gesetzt hat. Das aber bedeutet eine klare Verfügungsbeschränkung für Alteigentümer. Entweder können sie die ihnen zurückgegebenen Werke nun in Deutschland, dem Land der Täter, verkaufen, oder sie benötigen eine Ausfuhrgenehmigung des Kulturstaatsministers. Ist das ein fairer und gerechter Umgang nach all dem angetanen Unrecht?
Wie sähe Deutschland also auf einer internationalen Bilanzkonferenz zehn Jahre nach der Washingtoner Erklärung aus? Wie könnte es sich darstellen? Wenn wir unsere Umsetzungsdefizite in Gegenwart aller anderen 43 Signatarstaaten ganz offen zur Diskussion stellten und uns auf qualitative Veränderungen für die Zukunft verpflichteten, dann wäre ich sehr für eine solche Konferenz. Eine salvierende Großveranstaltung unter dem verpflichtenden Titel „Washingtoner Nachfolgekonferenz“ in Berlin im Schonraum der Gastgeberrolle wird meine Fraktion allerdings nicht befürworten.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)