Zum Hauptinhalt springen

Wohneigentum

Rede von Ilja Seifert,

Die Erfahrungen bei Wohneigentum besagen, dass die Rechte des einzelnen Eigentümers mit der Zahl der Mitglieder einer Eigentumsgemeinschaft schrumpfen und die Zahl der Interessenskonflikte steigt. Ilja Seifert in der Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohneigentumsgesetzes und anderer Gesetze“, Drs. 16/887. ( Die Rede wurde zu Protokoll gegeben)

Ein Spruch sagt: Wer klug ist, wohnt zur Miete. Natürlich in einer Wohnung nach Wunsch, in guter Lage, pflegeleicht und wartungsarm, mit netter Nachbarschaft und für einen akzeptablen Preis. Service inklusive, denn dafür wird Miete gezahlt. Trotzdem entscheiden sich Menschen für Wohneigentum. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Die Fraktion DIE LINKE. steht für das gleichberechtigte Nebeneinander von selbstgenutzten Wohneigentum, Wohnen zur Miete oder in einer Genossenschaft. Viele, m.E. zu viele Menschen erwerben Wohnimmobilien als Teil einer Wohneigentumsanlage - zur Selbstnutzung oder als Kapitalanlage - ohne zu wissen, was auf Sie zukommt. Neben den nicht unerheblichen Pflichten für das „Sondereigentum“ kommt die Verantwortung als Miteigentümer am „Gemeinschaftseigentum“. Bewährtes Instrument für die Verwaltung, den Erhalt, die Pflege und Erneuerung dieses Gemeinschaftseigentums ist das Wohneigentumsgesetz. Ich kenne sehr unterschiedliche Wohneigentumsgemeinschaften: manche bestehen aus wenigen selbstnutzenden Haus- bzw. Wohnungseigentümern, manche aus Eigentümern, die ihre Wohnung weit ab vom eigenen Wohnort als Kapitalanlage laufen lassen, es gibt Mehrfamilienhäuser mit einer Mischung aus Selbstnutzern und Kapitalanliegern bis hin zu Großwohnanlagen mit mehreren hundert Wohnungen. Erfahrungen besagen, dass die Rechte des einzelnen Eigentümers mit der Zahl der Mitglieder einer Eigentumsgemeinschaft schrumpfen und die Zahl der Interessenskonflikte steigt. Viele Entscheidungen, die in einer Eigentümergemeinschaft getroffen werden (müssen), haben oft nicht unerhebliche finanzielle Folgen oder können den Charakter der Wohnanlage und die Nutzung erheblich verändern. Da jeder einzelne Eigentümer direkt betroffen sein kann, sind nach geltendem Recht einstimmige Entscheidungen Grundlage für existentielle Veränderungen. Dies schützt den Einzelnen vor Entscheidungen, z.B. über größere Investitionen, die Ihn finanziell überfordern und zum Verlust des Wohneigentums führen. Andererseits kann ein Einzelner gewollte- und ggf. erforderliche Entscheidungen von deutlichen Mehrheiten blockieren. Mit der Novellierung sollen auch schwerwiegende Entscheidungen durch eine verhältnismäßige Mehrheit zugelassen werden. Dies muss in den Ausschussberatungen noch einmal genau abgewogen werden - vor allem hinsichtlich des Vertrauensschutzes bei bestehenden Wohneigentümern - auch wenn die Bundesregierung in der Begründung beteuert, das ihre Vorschläge ausgewogen und rechtlich zulässig sind. Die Einführung der Pflicht einer Beschluss-Sammlung scheint sinnvoll, erhöht aber wie auch einige andere Ränderungen den bürokratischen Aufwand und die Reglungsdichte. Die beabsichtigte Überführung der gerichtlichen Zuständigkeit aus der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die Zivilprozessordnung halten wir für problematisch.