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Wo Antifaschismus zum Unwort wird, ist die Demokratie in Gefahr

Rede von Roland Claus,

Rede in der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragten Aktuellen Stunde zum Thema „Kein Zurückweichen vor Rechtsextremismus - Bundespolitische Konsequenzen vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse in Sachsen-Anhalt und Brandenburg“

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Reaktion oder, besser gesagt, die Nichtreaktion der CDU/CSU-Fraktion auf meinen Vorredner macht vielleicht mehr deutlich, als man mit Worten sagen könnte.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Was soll denn dieser Blödsinn?)

- Sie müssen sich schon selbst beantworten, was dieser Blödsinn soll. Ich weiß nicht, ob diese Form der Auseinandersetzung dem Thema angemessen ist.

(Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund (CDU/CSU): Sie sollten aufhören, zu zensieren!)

Wo Antifaschismus zum Unwort wird, ist die Demokratie in Gefahr. Ich will eine andere, viel banalere Begebenheit erzählen: In einer Sporthalle in einem mir benachbarten Bundesland fiel mir eine Ergebnistafel auf, auf der geschrieben stand: Adolf Hitler ist mein bester Freund. Ich habe das Management der Einrichtung darauf aufmerksam gemacht. Man reagierte mit dem erwarteten Entsetzen und sagte: Ja natürlich, wir werden das sofort entfernen. Ich merkte aber, dass bei den Leuten noch etwas im Hinterkopf war. Ich fragte nach und bekam die Antwort: Das muss seit Wochen dort stehen und ist niemandem aufgefallen. Genau das ist das Problem: die schleichende Akzeptanz des Rechtsextremismus bis in die Mitte unserer Gesellschaft. Insofern hält die fatale Fehlleistung des Landratsamtes in Halberstadt uns allen womöglich nur einen Spiegel vor. Es gibt sehr viel Rassismus und Rechtsextremismus im Alltag, der Menschen widerfährt, die niemand kennt und die hier niemals zur Sprache kommen werden. Deshalb müssen wir uns mit diesem Thema befassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gemeinsame Empörung über die Geschehnisse in Halberstadt enthebt uns nicht unserer gemeinsamen Verantwortung, dem Rechtsextremismus entgegenzutreten. In Sachsen-Anhalt existiert ein funktionierendes Bündnis für Demokratie und Toleranz. Vor dem Hintergrund der ausgesprochenen Drohungen wäre es Aufgabe des dortigen Landrates gewesen, nicht etwa feige und still zu kuschen und zu kapitulieren, sondern dieses Bündnis anzusprechen und Öffentlichkeit herzustellen. Dass dies nicht geschehen ist, ist besonders ärgerlich und nicht hinzunehmen; denn zusammen mit diesem Bündnis hätte man sehr wohl öffentlich agieren können.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt geht es allerdings nicht darum, ganz Halberstadt in Haftung zu nehmen. Die Fraktion meiner Partei hat im dortigen Kreistag sofort eine Sondersitzung des Kreisausschusses verlangt; dort wird man sich mit diesem Thema auseinander zu setzen haben.

(Dirk Niebel (FDP): Das ist dafür auch der geeignete Ort!)

Wir erleben seit vielen Jahren - ich seit 15 Jahren -, dass das Engagement gegen Rechtsextremismus zuweilen diskriminiert bzw. lediglich als ein Kampf gegen gesellschaftliche Randerscheinungen verstanden wird. Herr Minister Becker, durch Ihre verbale Gleichsetzung von links und rechts haben Sie zur Lösung des Problems, über das wir heute reden, wirklich keinen vernünftigen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Lassen Sie mich daran erinnern, dass es im Jahr 2001 zu so etwas wie einem „Aufstand der Anständigen“ gekommen ist. Seinerzeit haben hier im Bundestag vier Fraktionen gemeinsam einen Beschluss zum Kampf gegen den Rechtsextremismus gefasst, der noch immer gültig ist und einiges bewirkt hat. An Ihre Adresse, Herr Becker, und an die Adresse der CDU/CSU-Fraktion, die diesen Beschluss damals nicht mitgetragen hat, möchte ich sagen: Wäre es heute nicht an der Zeit, dem zuzustimmen, anstatt neue Vorwürfe zu erheben?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir können vieles tun. Aber gegen „Nazis in den Köpfen“ hilft vor allem Bildung.

(Cornelia Pieper (FDP): Richtig!)

Schauen Sie sich doch einmal an, wie dürftig die Zeit des Dritten Reiches in den Schulbüchern abgehandelt wird.

(Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Sie haben echt keine Ahnung von der Realität an den Schulen! Also wirklich! - Daniela Raab (CDU/CSU): Das ist eine Frechheit!)

Oder schauen Sie sich die Politik des Landes Sachsen-Anhalt an: Einer Ihrer ersten Schritte, die Sie eingeleitet haben, als Sie dort im Jahr 2002 die Regierung übernommen haben, bestand darin, dass Sie das Auslaufen des Feststellenprogramms für die Jugendarbeit angekündigt haben. Das muss man ansprechen; denn der Weg, den Sie, Herr Becker, damals eingeschlagen haben, war falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch möchte ich daran erinnern, dass der Bund der Antifaschisten regelmäßig im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird.

(Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ja, und zwar zu Recht!)

Dieser Umstand ist bestimmt nicht geeignet, der Bedeutung des Kampfes gegen den Faschismus gerecht zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will für meine Fraktion ganz ausdrücklich sagen, dass wir Initiativen wie die Konstantin Weckers unterstützen, der es nicht einfach hinnimmt, dass die DVU im Bunde mit der NPD auf Schulhöfen CDs mit rechtsextremistischem Inhalt verteilen will, sondern sich wehrt. Das halten wir für wichtig. Ich sage noch einmal: Wo Antifaschismus zum Unwort wird, ist die Demokratie in Gefahr. Lassen Sie uns gemeinsam gegen die schleichende Akzeptanz des Rechtsextremismus in der Gesellschaft antreten. Wir bleiben dabei: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)