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Wirksamen Rechtschutz nicht dem Kostendruck opfern

Rede von Raju Sharma,

Die frühere rot-grüne Bundesregierung hat die ZPO dahingehend geändert, dass ein Gericht Berufungen durch Beschluss statt durch Urteil ablehnen kann. Rechtsschutzsuchende können dann keine Rechtsmittel mehr einlegen. Im Bundestag forderte Raju Sharma für DIE LINKE, diese Reform rückgängig zu machen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist schon mehrfach gesagt worden, dass dies ein wirklich spannendes rechtspolitisches Thema ist. Es geht um § 522 ZPO, der es erlaubt, dass eine Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen werden kann, und dieser Beschluss ist dann noch nicht einmal anfechtbar. Fertig! Wieder wurde ein Rechtsstreit einfach und ohne großen Aufwand für immer erledigt. Kurzer Prozess!

Alle Fraktionen sehen hier Handlungsbedarf; denn diese Vorgehensweise widerspricht dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einem effektiven Rechtsschutz.

(Beifall bei der LINKEN)

Entschiede das Gericht in dem gleichen Rechtsstreit nicht durch einen Beschluss, sondern durch ein Urteil, wäre gegen die Zurückweisung der Berufung wenigstens eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich. Mehr als 100 Jahre kamen wir ohne diese Regelung aus. Doch im Jahr 2001 ‑ das wurde schon gesagt ‑ versuchte Rot-Grün, die Rechtsmittelmöglichkeiten neu zu gestalten, um die Gerichte zu entlasten. Das haben wir neun Jahre lang ausprobiert. Jetzt müssen wir feststellen: Das Ziel wurde verfehlt. Für alle, die bei den Gerichten Rechtsschutz suchen, ist § 522 ZPO ein Fluch und kein Segen. Auch die gewünschte Entlastung der Gerichte trat nicht ein. Darüber hinaus ‑ auch das wurde heute schon gesagt ‑ wird diese Vorschrift ungleich angewandt. Je nach Bundesland erledigen manche Oberlandesgerichte 4 Prozent ihrer Verfahren nach § 522 ZPO und andere über 27 Prozent. Das ist nicht in Ordnung. Das ist ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht. Das ist in der Regel nicht schlimm. Wir müssen nur daraus lernen. Mit dem Regierungsentwurf wird aber lediglich versucht, die gröbsten Patzer etwas zu glätten. Dafür werden an § 522 Abs. 2 und 3 ZPO kosmetische Korrekturen vorgenommen, indem höhere Anforderungen an den Zurückweisungsbeschluss gestellt werden. Statt bisher drei sind nun vier Bedingungen für die Zurückweisung der Berufung vorgesehen. Als kleines Bonbon sollen den Betroffenen nun Rechtsmittel gegen den ablehnenden Beschluss zugestanden werden. Das ist aus unserer Sicht nicht genug.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf der anderen Seite schränken Sie die Rechte der Rechtsschutzsuchenden weiter ein, indem Sie § 26 Nr. 8 des Einführungsgesetzes der ZPO ändern wollen. Obwohl die Revision grundsätzlich vom Streitwert losgelöst betrachtet werden soll, verlängern Sie die bis Ende 2011 vorgesehene Befristung der Mindesthöhe des Streitwertes für Revisionen von 20 000 Euro bis Ende 2013. Damit übernehmen Sie die früheren Fehler von Rot-Grün. Wir finden das falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade in Arzthaftungsfällen ist die derzeitige Anwendung des § 522 ZPO in seiner heutigen Form im Hinblick auf die finanzielle und gesundheitliche Belastung der Geschädigten eine Zumutung. Wir dürfen nicht zulassen, dass Kosteneinsparungen im Justizsektor dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger den Glauben an Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit verlieren.

SPD und Grüne haben erkannt, dass die damalige Reform ihr Ziel verfehlt hat und dass das Problem nur durch eine Abschaffung gelöst werden kann. Diese Einsichtsfähigkeit verdient Anerkennung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb sollten Union und FDP nicht die Fehler vergangener Wahlperioden wiederholen. Tun Sie das Richtige, und wickeln Sie die verkorkste Reform ab. Streichen Sie die Absätze 2 und 3 in § 522 ZPO!

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)