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Wir wollen mehr Transparenz!

Rede von Halina Wawzyniak,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Demokratie für alle ist, wenn alle hier lebenden Menschen nicht nur ein Anhängsel des Staates und seiner Verwaltung sind. Stattdessen sollen der Staat und seine Verwaltung alle notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Bürgerinnen und Bürger all jene Informationen erhalten, auf deren Grundlage sie die Gesellschaft mitgestalten können.

Die Menschen haben ein Recht darauf, Politik und Verwaltung zu kontrollieren. Dieses Recht können sie nur wahrnehmen, wenn sie ausreichend informiert sind und jederzeit die Informationen erhalten können, die sie für die Ausübung des Rechts brauchen.

2005 wurde, um genau das zu erreichen, ein Schritt in die richtige Richtung getan. Aber das damals beschlossene Informationsfreiheitsgesetz reicht nicht aus. Es baut zu viele Hürden auf, um das gegebene Versprechen zu halten. Zwar ist der Zugang zu Informationen erleichtert worden, aber mit der Gebührenpflicht ist dieser Zugang nicht voraussetzungslos und somit auch nicht allgemein. Zugleich haben die vielen Ausnahmeregelungen zahlreiche Möglichkeiten eröffnet, den Menschen, die Auskünfte haben wollen, die Herausgabe dieser Informationen zu verweigern.

Ein Mindestmaß an Transparenz - darüber waren wir uns 2005 mehrheitlich einig - ist notwendige Voraussetzung für Demokratie. Gut zehn Jahre später sage ich: Nur ein Höchstmaß an Transparenz wird uns ermöglichen, die Demokratie zu demokratisieren und vor Anfeindungen und Angriffen zu schützen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da geht es nicht an, dass die Bürgerin und der Bürger um Auskunft über wichtige öffentliche Angelegenheiten ersuchen müssen. Es geht nicht an, dass die Menschen hierzulande Bittsteller sind, wenn sie wissen wollen,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wo das SED-Vermögen ist, wollen wir wissen!)

was in den Parlamenten auf kommunaler, Landes- und Bundesebene jenseits öffentlicher Sitzungen beraten wird. Es geht nicht an, wenn Entscheidungshintergründe, Protokolle, Gutachten, Kalkulationen, Planungsberichte oder Informationen aus öffentlichen Verwaltungen nur auf Anfrage und gegen Gebühren zu erhalten sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist nicht zeitgemäß und es schadet der Demokratie, wenn Auskunftsbegehren massenhaft mit der Begründung, hier wiege der Schutz öffentlicher Belange oder der von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen stärker als das Interesse der Bürgerin oder des Bürgers, abgelehnt werden. Genau diese Berufungsmöglichkeiten im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes sind in der Vergangenheit weidlich ausgenutzt worden - zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Das darf so nicht stehen bleiben, es muss geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der freie Zugang zu Informationen ist nicht nur notwendig für Mitbestimmung und Mitgestaltung, sondern er ist ebenso notwendig für den Erhalt der Pressefreiheit. Der freie Zugang zu Informationen kann dazu beitragen, dass sich wieder mehr Menschen in die Gesellschaft einbringen. Er kann dazu beitragen, dass Verwaltungen reformiert und weniger Steuergelder verschwendet werden. Er kann die Kluft zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite, Politik, Behörden und Verwaltungen auf der anderen Seite verkleinern. In den vergangenen Jahren ist diese Kluft leider größer geworden. 2010 hat der damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, kritisiert:

Ich stelle fest, dass wir weit entfernt sind von einer Kultur der Offenheit.

Behörden legten eine grundlegende Haltung gegen die Herausgabe von Informationen an den Tag, sagte er. Das ist auch sechs Jahre später noch immer nicht die Ausnahme und kommt viel zu häufig vor.

Wir fordern nun mit unserem Antrag die Bundesregierung auf, den Entwurf für ein umfassendes Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vorzulegen. Wir wollen einen Vorschlag, der geeignet ist, das geltende Gesetz mit dem Umweltinformationsgesetz und dem Verbraucherinformationsgesetz zu vereinen. Wir wollen, dass der anfrageorientierte Ansatz um eine proaktive Informationspolitik ergänzt wird - das heißt, proaktiv sollen Daten eingestellt werden - und dass sich dieser an den Open-Data-Prinzipien orientiert: Gebührenfreiheit, Barrierefreiheit, Weiterverbreitung und der Möglichkeit zur freien Weiterverwendung. Es muss möglich sein, die öffentlich zugänglich gemachten Daten auch für andere nutzbar zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir lassen das Argument, das sicherlich kommen wird, infolge eines solchen Informationsfreiheitsgesetzes würden Behörden unzumutbar belastet, nicht gelten. Die proaktive Informationsbereitstellung vermindert im Gegenteil die Anzahl der Anträge. Und jenen, die jetzt behaupten, die Behörden seien doch auch ohne ein solches Gesetz so unglaublich transparent, entgegnen wir: Dann schadet es auch nicht, das in ein Gesetz zu schreiben. Wir wissen allerdings, dass es bis zu diesem Punkt, an dem wir wirklich Transparenz haben, noch ein weites Stück Weg ist. Wir wollen mit unserem Antrag für ein umfassendes Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz diesen Weg verkürzen, weil wir finden, ein solches Gesetz wäre ein Beitrag zu mehr Demokratie für alle.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)