Die Folgen der verfehlten Agrarstrukturpolitik dürfen nicht auf den Schultern der 43 000 einheimischen Zuckerrübenanbaubetriebe abgeladen werden. Kirsten Tackmann in der Debatte zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes (Drs. 16/912).
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Nach dem Diskurs über die Bettgewohnheiten von Schweinen in der vergangenen Woche sprechen wir heute über den Zuckerberg. Die Bundesrepublik hat laut dem jüngsten Agrarbericht beim Zucker einen Selbstversorgungsgrad von 141 Prozent erreicht, und das bei Rübenzucker, der auf dem Weltmarkt überhaupt nicht konkurrenzfähig ist. Das gelingt nur, weil der Zuckermarkt einer der am stärksten regulierten Märkte überhaupt ist. Es ist schon gesagt worden, dass in der EU der kostendeckende A-Quotenpreis dreimal höher ist als auf dem Weltmarkt. Dafür liegt der Preis für den C-Quotenexportzucker bei einem Zehntel des A-Quotenpreises, damit er international überhaupt konkurrenzfähig ist. Damit gefährden die reichen EU-Länder die regionalen Märkte in den Entwicklungsländern. Andererseits wird - auch das hat Herr Goldmann schon gesagt - billiger Rohrzucker aus Lateinamerika vom EU-Markt fern gehalten. Dieser Markt ist nicht einmal wirtschaftlich sinnvoll, von Aspekten wie sozial, ökologisch oder fair einmal ganz abgesehen. Es muss sich also etwas ändern. (Beifall bei der LINKEN) Die spannende Frage ist: Wer sind die Gewinner und wer sind die Verlierer? Für meine Fraktion ist klar, dass die Folgen der verfehlten Agrarstrukturpolitik nicht auf den Schultern der 43 000 einheimischen Zuckerrübenanbaubetriebe abgeladen werden dürfen. Nur deshalb stimmen wir dem vorliegenden Gesetz zu, mit dem ein Teilausgleich für die Verluste der einheimischen Erzeuger infolge der Garantiepreissenkung geregelt wird. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Diese Zustimmung ändert aber nichts an unserer deutlichen und grundsätzlichen Kritik am Umgang mit dem Problem. Die Regelungen setzen an der falschen Stelle an; sie sind halbherzig und zementieren altbekannte Ungerechtigkeiten wie zum Beispiel die Benachteiligung Ostdeutschlands bei der Quotenverteilung. Im Wesentlichen ist das Gesetz die Fortsetzung einer falschen Politik mit anderen Mitteln. Denn wir kaufen uns aus den staatlichen Preisgarantien quasi teilweise heraus und zahlen sie bis zum Jahr 2014 stattdessen als Betriebsprämie. Da die Anbauverpflichtung durch die Entkoppelung der Betriebsprämien entfällt, kann man wenigstens hoffen, dass der eine oder andere den Rübenanbau doch - wie politisch gewollt - aufgibt. Bei den Zuckerrübenstandorten gibt es ja Anbaualternativen. Aber ob das wirklich so kommt, ist fraglich, weil die Kompensation bei allen für dieses Jahr abgeschlossenen Zuckerrübenverträgen erfolgt und der zusätzlich realisierbare Preis vermutlich immer noch attraktiv genug ist. Eines steht aber auch für uns Linke fest: Wir wollen, dass die Rübe bleibt. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Denn die Verarmung an Kulturpflanzen ist ohnehin ein Problem. Auch ein weniger intensiver Anbau würde den Zuckerberg abbauen. In der Bioenergieerzeugung bekommt die Rübe vielleicht eine ganz neue Perspektive. (Beifall bei der LINKEN) Die Profiteure der Neuordnung des EU-Zuckermarkts sind vermutlich nur die großen Zuckerverarbeiter. Von ihnen erwarten wir, dass sie diesen Vorteil zum Erhalt der 250 000 Arbeitsplätze in der Branche nutzen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jawohl!) Für die Verbraucherinnen und Verbraucher fordern wir eine Weitergabe dieses Vorteils über eine Lebensmittelpreissenkung. Denn sie finanzieren diese Reform mit ihren Steuern. Sicher, auch der Zuckermarkt ist ein Spannungsfeld höchst unterschiedlicher Interessen. Gerade deshalb brauchen wir eine zukunftsfähige politische Strategie. Regionale Märkte müssen geschützt und der internationale Handel mit kostendeckenden Preisen sowie sozialen und ökologischen Produktionsstandards fair gestaltet werden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Quoten können dann durchaus ein sinnvolles politisches Instrument auch auf der Ebene der WTO sein. Vor allem aber muss sich die Grundphilosophie der Förderung der Landwirtschaft von einem Nachteilsausgleich hin zu einer Bezahlung gesellschaftlich gewollter Leistungen ändern. Wir brauchen politische Rahmenbedingungen für eine flächendeckende, die natürlichen Ressourcen schonende und die Kulturlandschaft pflegende Landwirtschaft, in der auch die Zuckerrübe ihren Platz hat. Mit diesem Plädoyer danke ich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen, dass die Rübe bleibt
Rede
von
Kirsten Tackmann,