Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung zum Anbauverbot des gentechnisch veränderten Mais MON810
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Donnerstagabend der letzten Sitzungswoche diskutierten wir über das Verbot des Anbaus von MON 810. Viele von Ihnen können sich an diese heiße Debatte erinnern, in der uns, den Gegnerinnen und Gegnern der Gentechnik, alle möglichen unschönen Dinge vorgeworfen wurden: Uns wurde unterstellt, Panikmache zu betreiben und Argumente nur einseitig zu sehen. Das war eine sehr unschöne Debatte.
Leider hat sich kein CSU-Abgeordneter daran beteiligt; darauf wurde hier schon hingewiesen. Umso erfreuter bin ich darüber, dass Frau Aigner das Anbauverbot ausgesprochen hat. Sicher ist es kein Geheimnis zumindest wird in Bayern sehr viel darüber gesprochen , dass ein Herr aus Ingolstadt daran großen Anteil hatte. Vielleicht ist er es leid: Er hat ja den Spitznamen „Genhofer“ und möchte jetzt vielleicht einen anderen Spitznamen.
Wir finden es gut, dass dieses Verbot jetzt ausgesprochen wurde. Horst Seehofer hat die Zeichen der Zeit verstanden und kennt die Stimmung in der Bevölkerung in Bayern.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Er kennt vor allen Dingen auch den Wahltermin!)
Natürlich muss die CSU um ihre Europamandate schon ein bisschen fürchten. Bei 42 Prozent wird es knapp.
Ich sage Ihnen auch, aber das wollen Sie ja nicht akzeptieren: 78 Prozent der Bevölkerung sind gegen den Anbau von Genmais, und darum halte ich dieses Verbot schon lange für überfällig.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage an dieser Stelle: Zugabe. Nun brauchen wir auch ein Verbot der Maissorten Bt11 von Syngenta und 1507 von Pioneer, und natürlich unterstützt die Linke auch ein Anbauverbot der Genkartoffel Amflora.
(Beifall bei der LINKEN Ulrich Kelber (SPD): Die ist doch in Deutschland gar nicht zugelassen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzten Mittwoch demonstrierten Biobauern, Bauernverband, Milchbauern und Umweltverbände in München gegen eine Patentierung von Lebewesen unter dem Motto „Es geht um die arme Sau“. Neu war, dass sich der bayerische Umweltminister Söder auf der Kundgebung geäußert und das Genmaisverbot begründet hat. Das sind wir in Bayern nicht gewohnt; daher war es schon sehr interessant. Er hat gesagt, er kümmere sich auch um die arme Sau. Das finde ich sehr löblich.
Fakt ist: In Bayern wurde verstanden, dass die Freisetzung von Genpflanzen Risiken mit sich bringt, die eben nicht überschaubar sind. Einmal freigesetzt, sind sie nicht mehr einzufangen, und die Risiken sind, wie gesagt, unüberschaubar. Das wird nicht nur in unserem Land so gesehen, sondern das Anbauverbot ist in einigen anderen europäischen Ländern ich zähle sie noch einmal auf: Frankreich, Griechenland, Österreich und Ungarn schon lange ausgesprochen. Deshalb war auch bei uns das Anbauverbot längst überfällig.
Wenn Sachsens Landwirtschaftsminister den Gentechnikgegnerinnen und -gegnern das Schüren von Hysterie vorwirft, dann hat er eben die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Damit unterstützt er die Forschungsministerin Frau Schavan, die sofort mit der Standortkeule kommt und den Forschungsstandort Deutschland schon am Boden sieht. So haben sich ja auch andere jetzt wieder geäußert.
Dazu kann ich nur sagen: Ihre Reaktion ist vollkommen unangemessen. Nicht das Genmaisverbot gefährdet den Standort, sondern eine Orientierung auf eine globalisierte und energieintensive Landwirtschaft. Wir brauchen eben keine Laborpflanzen, die weltweit angebaut werden können, sondern wir benötigen regional angepasste Sorten, um die Land- und Forstwirtschaft für die Zukunft fit zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dazu brauchen wir beispielsweise eine intensive Forschung im Bereich des Ökolandbaus und der Agroforstsysteme. Das ist notwendig, und die Mehrheit der Menschen, auch in Bayern, wünscht sich das.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD)
Der jetzt von Frau Schavan geplante runde Tisch aus Wissenschaft und Industrie soll die Entscheidung wieder zurückholen. Unterstützt wird sie sogar von der Bundeskanzlerin. Hier wird klar, wie hoch diese Entscheidung aufgehängt ist.
Ich frage Sie: Warum akzeptieren Sie nicht den Willen der Mehrheit der Bevölkerung? Warum sollen Menschen in Zukunft Lebensmittel essen, die sie nicht wollen? Sind Ihnen die Profite der Großkonzerne wichtiger als Ihre Wählerinnen und Wähler? Diese Fragen müssen Sie im Wahlkampf beantworten.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann kommt noch das Argument Welthunger; wir haben es auch heute gehört.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Richtig!)
Es ist einfach falsch. Gerade „Misereor“, „Brot für die Welt“ und die Welternährungsorganisation
(René Röspel (SPD): Evangelische Entwicklungshilfe!)
lehnen die Gentechnik als Mittel zur Linderung des Welthungers ab. Ich halte das für sehr wichtig. Daran können Sie einfach nicht vorbeigehen. Der Welthunger muss durch eine Umverteilung in der Welt, durch eine gerechte Weltwirtschaftsordnung unter Verhinderung von Kriegen beendet werden
(Beifall bei der LINKEN)
und nicht durch patentierte Genpflanzen, die sich am anderen Ende des Kontinents niemand leisten kann und die Menschen millionenfach in Schulden stürzen. Schauen Sie sich an, wie viele Bauern sich in Indien deswegen umgebracht haben!
(Zurufe von der FDP)
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie schimpfen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Bulling-Schröter, achten Sie bitte auf die Zeit.
(Julia Klöckner (CDU/CSU): Oh ja! Bitte, bitte!)
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Ja. Ich verstehe, dass ein Gerichtsverfahren mit einem Konzern wie Monsanto als Gegner nicht sehr schön ist. Aber lassen Sie sich bitte nicht ins Bockshorn jagen.
(Julia Klöckner (CDU/CSU): Von Ihnen?)
Es ist sicher nicht sehr angenehm, wenn der deutsche Botschafter in den USA vom US-Handelsbeauftragten vorgeladen wird, um sich dort eine Kritik am Anbauverbot einzuhandeln. Trotzdem: Das Anbauverbot ist richtig und wichtig.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Und Ihre Redezeit ist abgelaufen.
(Julia Klöckner (CDU/CSU): Aber so was von abgelaufen!)
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Im Bundestag gäbe es eine Mehrheit für Ihren Antrag, Herr Kelber.
(Beifall bei der LINKEN)