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Wir brauchen endlich europäische Normalität

Rede von Gesine Lötzsch,

Rede zum Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linke will Ausgrenzung beenden und Einbürgerungen umfassend erleichtern.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sagen den Menschen, die hier leben und bleiben wollen: Willkommen, ihr gehört zu uns.
Immer weniger Menschen werden in Deutschland eingebürgert. Warum ist das so, und warum ist die Situation zum Beispiel in Schweden, Portugal oder Polen ganz anders?
In europäischen Ländern mit einer hohen Einbürgerungsquote ist es folgendermaßen: Einbürgerungen sind auch dann möglich, wenn die Menschen weniger als fünf Jahre in diesem Land leben, ein eigenständiges Einkommen muss nicht nachgewiesen werden, in diesen Ländern ist Mehrstaatigkeit generell erlaubt, und auf Einbürgerungstests wird verzichtet. Das ist eine sehr vernünftige Regelung.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Kollege Schröder, Sie haben gesagt: Wir wissen noch gar nichts. Das stimmt nicht. Das Gesetz ist nun zwölf Jahre alt, die Analysen liegen auf dem Tisch. Im Jahr 1999 haben SPD, Grüne und FDP ein Gesetz beschlossen, das sich in einem ganz wesentlichen Punkt zum Einbürgerungsverhinderungsgesetz entwickelt hat. Das muss heute dringend korrigiert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde, wir müssen uns jetzt für die Menschen entscheiden, die seit Jahren in unserem Land leben. SPD und Grüne haben sich mit ihren Gesetzentwürfen ebenso wie die Linke mit ihrem Antrag eindeutig für die Einbürgerung von Menschen entschieden, die gern in unserem Land leben und den Wunsch haben, an der Gestaltung der Gesellschaft demokratisch mitzuwirken. Ich bin der festen Überzeugung: Das kann für uns alle nur gut sein!
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn CDU/CSU und FDP die vorliegenden Anträge ablehnen, dann schaffen sie in unserem Land neue Mauern zwischen den Menschen,
(Zuruf von der FDP: Von Mauern verstehen Sie ja was!)
verhindern die demokratische Teilhabe von Millionen von Menschen und befördern Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in unserem Land. Das ist verantwortungslos.
(Beifall bei der LINKEN)
Der europäische Vergleich zeigt doch, dass es anders geht. Die Bundesregierung muss einfach nur über den eigenen Tellerrand schauen. Wir können von unseren europäischen Partnern wirklich viel lernen. Aber im Augenblick vermittelt die Bundesregierung den Eindruck, dass alle anderen EU-Länder „deutscher“ werden müssen. Wer wirklich ein gemeinsames Europa will, der wählt damit einen sehr schlechten Ansatz, einen Ansatz, der scheitern muss.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen: Wir können von Schweden, von Portugal und von Polen lernen.
Wir haben versucht, mit unserem Antrag die europäischen Erfahrungen aufzunehmen, und gehen damit weiter als SPD und Grüne. Beide Fraktionen haben unseren Anträgen leider nicht zugestimmt. Das finden wir schade. Aber trotzdem werden wir den Anträgen von SPD und Grünen zustimmen. Ich hoffe, wir fördern damit die Bereitschaft dieser beiden Fraktionen, in der Frage der Einbürgerung noch europäischer zu denken. Ich glaube, das ist nötig.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich möchte mich jetzt besonders an Sie wenden und etwas von Kollegen aus Ihrer Partei anführen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
Der Umstand, dass ... eine ganze Generation junger Türken gezwungen ist, sich zu entscheiden zwischen dem Land ihrer Eltern und dem Land ihrer Lebenswirklichkeit, muss endlich beendet werden.
An anderer Stelle heißt es:
Entscheidend ist, wo Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben. Pässe sollten zweitrangig sein.
Dieses Zitat stammt aus einem Papier der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. Offensichtlich sind Ihre Kollegen in Niedersachsen schon weiter als Sie hier in Berlin. Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Orientieren Sie sich in dieser Frage an Ihren Kollegen aus Niedersachsen!
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Aydan Özoğuz (SPD))
Die Bundesregierung spricht gerne über Integration, baut aber immer höhere Mauern gegen die Integration auf. Ich sage Ihnen: Wir brauchen in Deutschland bei der Einbürgerung endlich europäische Normalität und nicht deutsche Sonderwege. Wenn wir Menschen in unserem Land willkommen heißen, dann ist das für uns alle besser.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)