Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als vor fünf Jahren meine Zeit als Bundestagsabgeordnete anfing, hofften noch einige Interessierte aus Bildung und Wissenschaft, dass die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung endlich den sogenannten Dritten Korb der Anfang des Jahrtausends angefangenen Urheberrechtsreform anpacken würde. Der Dritte Korb sollte ausdrücklich den Bedürfnissen von Bildung und Wissenschaft gewidmet sein. Ein großes Ziel dabei war die sogenannte Bildungs- und Wissenschaftsschranke, also Bereichsausnahmen im Urheberrecht, die den Informationsfluss zum Wohle von Lernen und Forschung erleichtern. Passiert ist seitdem wenig. Immerhin, seit ungefähr einem Dreivierteljahr, steht im Koalitionsvertrag – darauf wurde schon verwiesen –: Wir werden den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen und eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen.
Vorschläge, wie diese umzusetzen wäre, gibt es mehr als einen. Schon länger bekannt sind beispielsweise die Vorschläge der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und der Kultusministerkonferenz. Anfang des Jahres legte eine Urheberrechtsexpertin von der Humboldt-Universität, deren Nachname ungefähr so einfach wie meiner ist, weswegen ich ihn hier nicht nennen kann,
(Heiterkeit des Abg. Christian Flisek [SPD])
einen Regelungsentwurf vor, dessen Erarbeitung auch noch vom Bildungs- und Forschungsministerium gefördert wurde. Als Reaktion darauf hat das Aktionsbündnis„Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ seinen älteren Vorschlag überarbeitet und aktualisiert. Kurzum, es gab und gibt eine sehr lange Debatte, es gibt diverse konkrete Vorschläge, wie in Sachen Urheberrecht, Lernen und Forschen zeitgemäße Lösungen gefunden werden können, Lösungen, die Sie von der Koalition auch wollen.
Aber was machen Sie jetzt mit dem Gesetzentwurf? – Sie schreiben in den heute zu diskutierenden Gesetzentwurf zur Entfristung von § 52 a Urheberrechtsgesetz hinein, dass diese Gesetzesänderung notwendig wird, weil Sie eine – ich zitiere – „intensive rechtspolitische Diskussion“ über die Bildungs- und Wissenschaftsschranke für erforderlich halten, die Sie dieses Jahr nicht mehr abgeschlossen bekommen.
(Christian Flisek [SPD]: Ja, selbstverständlich! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist ja richtig!)
– Das steht darin. Richtig. Man kann es ja so zusammenfassen: Einerseits wollen Sie den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur stärker Rechnung tragen. Andererseits liegen aber genau aus diesen Bereichen konkrete, ernst zu nehmende Gesetzesvorschläge vor. Es gibt eine lange Debatte. Auf die gehen Sie aber nicht ein.
Sie nehmen diese Vorschläge nicht auf. Sie hätten ja einen von diesen Vorschlägen aufnehmen können. Und weil Sie das nicht machen, also weil Sie diese Vorschläge nicht aufnehmen, kommt es jetzt zur Entfristung des § 52 a, der Regelung zur Zugänglichmachung von kleinen Teilen von urheberrechtlich geschützten Werken im Intranet von Hochschulen. Die Entfristung – das gebe ich Ihnen zu – ist mehr als der Wegfall dieser kleinen Schranke und auch mehr als eine neuerliche Befristung. Aber eine wirkliche Verbesserung, ein Ernstnehmen der wichtigen Belange von Bildung und Wissenschaft ist es eben nicht.
(Marianne Schieder [SPD]: Na ja!)
Denn dank des Urteils des BGH vom vergangenen November ist die Schrankenwirkung bis zur Belanglosigkeit verkleinert. Es wurde eben höchstrichterlich der Lizenzvorrang festgestellt. Die Hochschulen müssen also vor der Inanspruchnahme der Schrankenprivilegien zunächst prüfen, ob es ein Lizenzangebot der Verlage gibt, und dieses im Zweifelsfall annehmen. Die privatwirtschaftlichen Interessen haben Vorrang vor der Ausnahme im Urheberrecht, die dem Wohle der Lehre dienen soll – eine Ausnahme, die wohlgemerkt immer vergütungspflichtig gedacht war. Das bedeutet nicht nur mehr Aufwand und wohl auch mehr Kosten für jede einzelne Uni, nein, die geltende Auslegung des § 52 a trägt den wichtigen Belangen der Lehre gerade keine Rechnung.
Die Entfristung ist nicht verkehrt, aber es muss mehr als entfristet werden. Das, was die Koalition hier vorschlägt, ist das Minimum, um eine unbefriedigende Situation nicht noch schlechter werden zu lassen, aber der Anwendungsbereich muss so ausgeweitet werden, dass die Hochschulen tatsächlich etwas davon haben. Er muss Teil einer allgemeinen Wissenschaftsschranke werden, wie sie die Linke und unzählige Wissenschaftsverbände immer wieder gefordert haben.Sie haben ja gesagt, Sie werden eine Diskussion unter Einbeziehung aller führen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wird auch Zeit!)
Dann freuen wir uns auf die Einladung und werden selbstverständlich an den Gesprächen teilnehmen.
(Beifall bei der LINKEN – Marianne Schieder [SPD]: Na, hoffentlich!)