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Wir brauchen eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik

Rede von Roland Claus,

Rede von Roland Claus, Haushaltspolitischer Sprecher und Ostkoordinator der Fraktion DIE LINKE, in der Debatte zum Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft und Energie am 27. November 2014

Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine Damen und Herren!

Herr Bundesminister Gabriel, wir haben intensiv über den Wirtschafts- und Energieetat beraten und diskutiert. In der Tat ist in diesem Etat an einigen Stellen einiges besser geworden. Das haben wir meist sogar einvernehmlich so beschlossen. Im Ganzen aber, muss ich Ihnen leider sagen, ist dieser Etat eine Enttäuschung geblieben - mehr Schein als Sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hälfte Ihres Etats ist traditionell an Subventionen gebunden, und für das vielgelobte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, kurz: ZIM, wird gerade einmal ein Drittel dessen verausgabt, was an solchen Subventionen in Ihren Etat eingestellt ist. Insofern muss man sagen: Der Wirtschafts- und Energiehaushalt macht einiges möglich, davon auch manches Gute, nur wirkliche Wirtschaftspolitik kann man damit nicht machen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE))

Wenn ein Staat, Herr Bundesminister, nicht in der Lage ist, mehr als ein einziges Prozent des Gesamthaushaltes für die Erneuerung seiner Wirtschaft einzusetzen, ist es um diesen Staat nicht gut bestellt.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das ist nicht nur ein Wirtschaftsetat!)

Herr Bundesminister, Sie haben vor zwei Tagen ein Bündnis mit dem Titel „Zukunft der Industrie“ vorgestellt.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Gute Sache!)

Sie haben in diesem Zusammenhang die Hauptprobleme der Wirtschaft präzise benannt. Ich will nur ein paar Stichworte sagen: unbewältigte Energiewende, Fachkräftemangel, zu geringe Investitionstätigkeit, schleppende Digitalisierung. Ich füge hinzu: sehr ungleiche Standortverteilung zwischen Ost und West. Gemessen an diesen Herausforderungen, die Sie ja selbst beschrieben haben, ist der Wirtschaftshaushalt leider ein Beitrag zur Verschärfung des Problems und kein Beitrag zur Lösung des Problems. Das wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen, Herr Minister.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Gründungsaufruf zum Bündnis „Zukunft der Industrie“ ist natürlich wieder einmal ganz gut getextet. Die Abteilung „Überschriften“ hat geliefert. Die Wirtschaft und besonders der Mittelstand, Herr Minister, brauchen aber keine neuen Losungen, sondern konkrete Unterstützung.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Propaganda ist das!)

Diesbezüglich herrscht in Ihrem Etat aber leider Fehlanzeige.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE))

Ich will ein Wort zum Aufreger dieser Woche sagen, der Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen. Da muss ich ja vor allem die Union ansprechen, die sich sehr gegen diesen Schritt gewehrt hat.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Wer? Im Koalitionsausschuss sind wir uns immer einig!)

Ich glaube, bei der Union ist das Problem, dass sie immer erst dann bereit ist, Frauen Verantwortung zu übertragen, wenn das Ganze schon voll gegen die Wand gefahren ist. Ich nehme nur einmal das Beispiel der bayerischen Hypo-Real-Estate-Bank, wo am Ende eine Frau den Laden sanieren musste. Ich rufe Ihnen zu: Versuchen Sie doch einmal, vor dem Schaden klug zu werden. Dieser Beitrag könnte hier eine Rolle spielen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Bettina Hagedorn (SPD))

Als Energieminister, Herr Gabriel, haben Sie natürlich eine Menge Großbaustellen. Ich will nur die Stromtrassen vom windreichen Norden in den energiebedürftigen Süden erwähnen, ein Projekt mit Shakespeare’scher Ambition: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. - Wir, die Linken, meinen: Besser wäre es gewesen, ein gesamtstaatliches Energiekonzept aufzulegen, das in erster Linie auf Dezentralität setzt, auf die Stärkung von Stadtwerken, auf die Förderung von erneuerbaren Energien, und zwar dort, wo sie gebraucht werden, und erst dann die Frage der großen stromintensiven Industrien anzugehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie werden mit der Bundesnetzagentur jetzt natürlich eine große Verantwortung bei der Lösung dieses Problems übernehmen.

Herr Bundesminister, Sie haben hier im Bundestag häufig über die Verhandlungen zum sogenannten Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, informiert. Die deutsche Übersetzung lautet ja: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Sie haben sich dafür starkmachen wollen, die sogenannten Schiedsverfahren, bei denen drei Richter ohne Widerspruchsmöglichkeit abschließend allein entscheiden können, erheblich zu verändern. Nun haben Sie dem Bundestag und anderen mitgeteilt: Diese Schiedsgerichte lassen sich nicht mehr rausverhandeln. - Da müssen wir Ihnen eines sagen, Herr Bundesminister: Wenn diese Schiedsgerichte sich nicht rausverhandeln lassen, dann darf sich Deutschland nicht in dieses Abkommen reinverhandeln lassen. Das wäre die Lösung.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Können wir nur mit Russland!)

Herr Bundesminister, Sie sind ja jetzt im Kabinett als Minister auch für Ostdeutschland zuständig. Ich will Sie daran erinnern - bei der Einbringung des Etats haben Sie gerade einmal einen Halbsatz zur Lage in Ostdeutschland zustande gebracht -: Der „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014“, den wir vor kurzem beraten haben, enthält ja eine ganze Menge an Analysen zur wirtschaftspolitischen Entwicklung in Ostdeutschland. Sie haben das präzise beschrieben. Allerdings haben Sie bei den Schlussfolgerungen überhaupt nicht geliefert. Sie sind, was den Osten angeht, so ziemlich ein „Minister folgenlos“.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben natürlich mit dem Problem zu kämpfen, dass seit zehn Jahren, was die wichtigsten wirtschaftspolitischen Indikatoren angeht, keine Angleichung zwischen Ost und West zu beobachten ist. Wir haben einen verfestigten Niedriglohnsektor. Der Anteil der Zeitarbeiter ist im Osten doppelt so hoch. Wir haben Standortnachteile ‑ Stichwort „Arbeitsproduktivität“ - bei großen Unternehmen und eine hohe Arbeitslosigkeitsrate. Das alles ist bekannt.

Für die schwarze Null haben Sie sich hinreichend selbst abgefeiert. Irgendwann ist aber Ihr schlechtes Gewissens durchgebrochen.

(Johannes Kahrs (SPD): Wo haben Sie das denn entdeckt?)

Ausdruck dieses schlechten Gewissens ist die Ankündigung des Bundesfinanzministers, für die Zeit ab 2016 ein 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm aufzulegen.

(Johannes Kahrs (SPD): Grober Unfug!)

Das war in der Tat eine Nacht-und-Nebel-Aktion, für die es noch nicht einmal eine Deckung gibt; denn bislang ist nicht klar, aus welchen Mitteln dieses Programm gespeist werden soll.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Auch wieder falsch! ‑ Johannes Kahrs (SPD): Erst habt ihr es gefordert, dann kriegt ihr es, und dann klagt ihr immer noch!)

Nun haben wir den Bundeswirtschaftsminister in den Beratungen natürlich gefragt, was dieses Programm für den Wirtschaftsetat bedeutet und wie das im Kabinett beraten wurde. Dabei stellte sich heraus: Das angekündigte 10-Milliarden-Euro-Programm hat im Kabinett überhaupt keine Rolle gespielt. Das Kabinett war damit überhaupt noch nicht befasst. ‑ Wenn das nicht Ausdruck Ihres schlechten Gewissens und Ihrer Konzeptionslosigkeit ist, dann frage ich mich, was es dann sein soll.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Beim Kartellamt sind Sie erfreulicherweise auf die Vorschläge der Opposition eingegangen und haben einer besseren Ausstattung zugestimmt. „Links wirkt“, können wir dazu nur sagen.

Wir sagen Ihnen: Wir brauchen eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik in diesem Lande.

(Johannes Kahrs (SPD): Was haben Sie denn damit zu tun?)

Die Linke will eine sozial-ökologische Gerechtigkeitswende in der Wirtschaft und in der ganzen Gesellschaft. Davon sind wir weit entfernt. Da wollen wir aber hin, und da lassen wir auch nicht locker.

(Beifall bei der LINKEN)