Der FDP-Vorschlag zur Reform der direkten Steuern hat mit den anderen auf dem Markt befindlichen Modellen eines gemeinsam: Durch sie werden Großunternehmen und gut verdienende, vermögende Bürger entlastet. Diese neoliberale Politik werden wir nicht mitmachen. Barbara Höll in der Debatte zum Gesetzentwurf der FDP zur Refom der direkten Steuern (Drs. 16/679).
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der direkten Steuern, der von der FDP vorgelegt wurde. Dabei handelt es sich um eines der Modelle, die sich gegenwärtig auf dem Markt befinden. Alle Modelle haben eines gemeinsam: Durch sie werden Großunternehmen und gut verdienende, vermögende Bürger entlastet. Herr Solms und Herr Westerwelle, die FDP zeichnet sich dadurch aus - das muss man Ihnen zugute halten -, dass sie relativ offen ist. Sie sagen: Ja, wir wollen auf Einnahmen in Höhe von 17 bis 19 Milliarden Euro verzichten. Nebenbei bemerkt füge ich hinzu: Ihr Gesetzentwurf enthält kein Finanztableau; bei dem von mir genannten Betrag handelt es sich also nur um eine grobe Schätzung, die locker nach oben überboten werden kann. Auf Seite 22 Ihres Gesetzentwurfes kann man nachlesen, wie sich der Rahmen für ein neues Steuerrecht aus Ihrer Sicht darstellt: Fünftens: Eine moderne und wachstumsorientierte Steuerpolitik ist zwingend mit einer soliden und nachhaltig auf Stabilität ausgerichteten Haushaltspolitik zu verbinden. Dabei muss gelten: Die Ausgaben richten sich nach den Einnahmen - nicht umgekehrt. Das ist Klartext: Erst wollen Sie auf 17 bis 19 Milliarden Euro verzichten und dann wird es wieder heißen, wir müssen sparen: an den Sozialleistungen, bei der Rente. Das ist locker-flockig die Fortsetzung des neoliberalen Kurses, den wir in den letzten Jahren erleben mussten, und befindet sich voll in Übereinstimmung mit dem, was die Regierungskoalition uns anbietet: Wie im Jahreswirtschaftsbericht nachzulesen ist, erwarten Sie für dieses Jahr eine Stagnation der Einkommen und Renten, der Zuwächse von etwa 7,5 Prozent für Selbstständige und Bezieher von Vermögenseinkünften entgegenstehen. Das ist die Realität, in der wir leben. Diese neoliberale Politik werden wir nicht mitmachen. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Das ist keine Überraschung!) - Es ist keine Überraschung, aber es ist gut, dass wir die Möglichkeit haben, es Ihnen von diesem Pult aus zu sagen, und Sie werden es sich weiter anhören müssen. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Wir hören es ja an!) Im Gesetzentwurf der FDP heißt es, Sie wollen einen Stufentarif mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent. Das bedeutete eine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes, eine Fortsetzung der Politik der letzten Jahre von Rot-Grün. Dieser Spitzensteuersatz soll ferner bereits bei einem Einkommen von 40 000 Euro einsetzen. Schon die Bezieher mittlerer Einkommen müssten also zur Finanzierung des Gemeinwesens anteilig so viel beitragen wie die Millionäre, die sich aus der Finanzierung desselben damit ein Stück weiter zurückziehen könnten. Der vorgesehene Wegfall der Steuerfreiheit der Feiertags- und Nachtzuschläge würde insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem geringen Einkommen treffen. Die Entfernungspauschale soll gestrichen werden, die Werbungskostenpauschale auch. Bezieher niedriger Einkommen würden dadurch massiv schlechter gestellt. Ich sagte es schon: Sie sind ganz offen. Es gibt den berühmten Solms-Rechner, an dem jeder nachprüfen kann, was die Vorschläge für ihn konkret heißen. Bei einem Einkommen von 25 000 Euro - Einzelveranlagung, sprich kein Kind, kein Soli-Zuschlag; ausschließlich die Werbungskosten angesetzt - ergäbe sich gegenüber der heutigen Steuerbelastung von knapp 4 000 Euro eine von nur noch 2 500 Euro, somit eine Entlastung von gerundet 1 300 Euro; das wären 5 Prozent. Bei einem Einkommen von 150 000 Euro sieht die Entlastung schon besser aus: 14 400 Euro; das wären ganze 9 Prozent. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die FDP gewandt: Sie macht auch noch Werbung für euren Rechner!) Das sind die Zahlen, das ist die Politik der FDP: Sie wollen fortfahren, niedrige Einkommen prozentual höher zu belasten. Das wird zu einer weiteren Schwächung der Binnennachfrage und des Gemeinwesens führen - eine Politik, die wir nicht mitmachen. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage hier nochmals: Haben Sie endlich den Mut, etwas gegen die Massenarbeitslosigkeit zu tun, gegen Kinderarmut, gegen die soziale Auslese, die heute von Geburt an geschieht. Das wird auch von außen bestätigt: Alle internationalen Bildungsuntersuchungen zeigen, dass in fast keinem anderen Land in Europa so wie in Deutschland die soziale Herkunft über die Zukunftsaussichten der Kinder entscheidet - und dann wundern Sie sich, dass die Leute keine Kinder bekommen! Ja, warum denn wohl?! Stärkung des Gemeinwesens, das heißt für uns insbesondere, dass Gesundheit und Bildung nicht weiter zu einer Ware werden dürfen. Über die Besteuerung kann die Politik dagegenhalten: Wir brauchen eine Reform der Einkommensteuer zur Stärkung der Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen. Menschen mit großen Einkommen und großen Vermögen müssen zur Finanzierung des Gemeinwesens stärker herangezogen werden. Im Gegensatz zu Ihnen, die Sie sich für eine Streichung der Vermögensteuer aussprechen, fordern wir die Wiedererhebung einer reformierten Vermögensteuer. Dadurch könnten wir 15 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. (Beifall bei der LINKEN - Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selber nicht!) - Doch, das glauben wir und es ist nachgerechnet; darüber können wir uns einmal unterhalten. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reine Theorie! Theorie und Praxis!) Auch wir fordern eine Unternehmensteuerreform. Aber für diese muss ebenfalls gelten: Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - und nicht, wie bei Ihnen, dass es letztendlich davon abhängt, wie viele Möglichkeiten jemand hat, ganz legal Steuern zu sparen. Sie von der FDP wollen die Verlustverrechnung für internationale Konzerne sogar noch ausweiten, indem Sie die Organschaft abschaffen und die Gruppenbesteuerung ausweiten wollen. Das hieße ein Fortschreiten der neoliberalen Politik, wenn Ihr Gesetzentwurf umgesetzt würde. Das ist mit uns nicht zu machen. Unser Konzept ist ein anderes. Wir sagen: Sozial gerechte Steuerpolitik ist notwendig. Ein solches Konzept ist auch auf dem Markt. Damit werden Sie sich in Zukunft noch stärker auseinander setzen können und müssen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen eine Reform der Einkommensteuer zur Stärkung der Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen
Rede
von
Barbara Höll,