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Wir brauchen eine neue Flusspolitik

Rede von Sabine Stüber,

Sauberes Wasser ist für alle unverzichtbar. Nach EU-Recht soll bis 2015 die Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden. Das heißt, bis dahin soll für die europäischen Gewässer ein guter chemischer und ökologischer Zustand erreicht werden. Davon ist Deutschland derzeit meilenweit entfernt, und es gibt jede Menge unerledigte Hausaufgaben, die wir in unserem Antrag von der Bundesregierung einfordern. Wir brauchen eine neue Flusspolitik mit dem Ziel, die Ressource Wasser zu erhalten und unsere Flusslandschaften naturnah entwickeln.

Rede zu Protokoll in der Plenarsitzung vom 26.04.2012

zum TOP: 31
Gegenstand: Antrag DIE LINKE
Neue Flusspolitik – Ein „Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften“
Drucksache: 17/9192

Frau/Herr PräsidentIn,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

der Äquator hat eine Länge von rund 40.000 Kilometern. Die Flüsse bringen es in Deutschland auf rund 127.000 Kilometer Länge. Auch wenn hierbei die kleinen Wasserläufe mitgezählt werden, aneinander gereiht reichen unsere Flüsse drei mal um den Äquator. Das ist eigentlich unvorstellbar, macht uns aber klar, wie stark unsere Landschaft durch Fließgewässer geprägt ist. Flüsse waren schon immer Lebensadern, an denen die großen Städte entstanden, und schon immer wurden sie nach den jeweils mächtigsten Wirtschaftsinteressen ausgebaut und verändert. Wirklich „zähmen“ lassen sie sich allerdings nicht.

Oft genug schlagen sie zurück und treten mit reißenden Fluten über die Ufer. Wir alle kennen die dramatischen Bilder. Hochwasser, das nicht nur immense materielle Schäden hinterlässt, sondern überdies Mensch und Tier in Gefahr bringt.

Auch wenn längst bekannt ist, dass Flüsse nicht einfach so beherrschbar sind, wurden sie weiter begradigt, vertieft, umverlegt und aufgestaut. Dabei gehen Überflutungsflächen und Auen verloren, während im Gegenzug die Hochwassergefahr steigt. Vom Verlust der Artenvielfalt in den Flussauen will ich gar nicht erst sprechen oder von den wanderenden Fischen, die in unseren Flüssen zu Hause sind und die, wenn sie Glück haben und eine Fischtreppe finden, auch überleben. Deshalb müssen wir das Verständnis, Flüsse vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten als Wasserstraße zu sehen, endgültig korrigieren und um einen umfassenden Gewässerschutz erweitern.

Wie immer ist Deutschland gut, wenn es um technische Lösungen geht. Und so gibt es selbstverständlich Erfolge bei der industriellen und kommunalen Abwasserreinigung. Trotzdem sind die Flüsse verseucht. Es gelangen viel zu viele Nährstoffe und Pflanzenschutzmittel aus der Land- und Forstwirtschaft in die Gewässer. Und so muss es nicht erstaunen, wenn der ökologische Zustand der Flüsse wesentlich schlechter ist, als erwartet. Wer jedoch genau hinschaut, hat ihn genauso erwartet.

Es gibt viele, nicht selten in Konkurrenz stehende Interessen und Ansprüche. Angefangen von der Binnenschifffahrt über die Freizeitschifffahrt und den Tourismus, dem Gewässer- und Naturschutz, dem Hochwasserschutz, bis hin zur Industrie und Energiegewinnung. Hinzu kommen die Belange von Fischerei und Landwirtschaft, und auch kommunale Gesichtspunkte spielen eine Rolle.

Sauberes Wasser ist für alle unverzichtbar. Da sind wir in Mitteleuropa, gemessen an anderen Regionen dieser Welt, zwar in einer komfortablen Situation. Noch gibt es bei uns ausreichend sauberes Wasser. Damit das so bleibt, soll nach EU-Recht bis 2015 die Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden. Das heißt, bis dahin soll für die europäischen Gewässer ein guter chemischer und ökologischer Zustand erreicht werden. Deutschland ist derzeit davon meilenweit entfernt. Da gibt es jede Menge unerledigte Hausaufgaben, die wir in unserem Antrag von der Bundesregierung einfordern. Wir brauchen eine neue Flusspolitik mit dem Ziel, die Ressource Wasser zu erhalten. Dazu müssen wir unsere Flusslandschaften naturnah entwickeln. Um das zu erreichen, sollen in einem nationalen Rahmenkonzept ökologische Eckpunkte festgeschrieben werden, die bundesweit für alle Flussgebiete
gelten. Das bedarf des politischen Willens und kann auch dann nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und im Einvernehmen mit den verschiedenen Interessengruppen entwickelt werden. Dafür ist ein breiter gesellschaftlicher Dialog die entscheidende Voraussetzung. Den Anstoß muss die Politik geben, und genau das wollen wir mit dem Antrag erreichen.

Es geht um viel, es geht um gesellschaftliche Partnerschaft für einen umfassenden Gewässerschutz. Mit der Elbe wird ein erster Schritt getan, aber es ist nur ein Anfang. Wir brauche einen Handlungsrahmen für das ganze Land. Dann kann auch der gesellschaftliche Dialog im ganzen Land beginnen und nicht nur an der Elbe.

Jetzt, wann sonst, wollen wir endlich ernstmachen mit der Befreiung unserer Flüsse.