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Willkürliche Kulturförderpraxis der Bundesregierung

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Beispiel 1: Ein deutsches Zentrum für Poesie. Als Ort, an dem Poesie in all ihren Erscheinungsformen gefördert wird und das der Bewahrung und Sammlung dichterischer Quellen in einer der Allgemeinheit zugänglichen Mediathek dient   – eine überzeugende Idee.

Beispiel 2: Der Fond Neue Musik. Ein Fond zur Förderung von neuer, zeitgenössischer  Musik, der nicht auf die Förderung der sogenannten E-Musik beschränkt ist, sondern auch all die aktuellen Musikrichtungen fördert, die sich nicht allein über den Markt finanzieren können. Ein solcher Fond würde eine Lücke in den existierenden Förderstrukturen füllen. Auch dies erscheint unmittelbar einleuchtend.

Aber sind diese Projekte  aus bundespolitischer Sicht förderungswürdig?
Bislang nicht. Warum das so ist, wissen wir nicht.
Der heute zu debattierende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der „transparente Kriterien und verbindliche Rahmenbedingungen“ für die „Bundesförderung von kulturellen Institutionen und Projekten“ fordert, ist berechtigt, ja überfällig.

Die Kulturförderpraxis der Bundesregierung findet in einer Art traditioneller Fortschreibung statt und ist von daher auch willkürlich zu nennen. Es gibt eigentlich nur ein Kriterium, das nennt sich „gesamtstaatliche Bedeutung“.  Das ist ein großes Wort, was darunter genau zu verstehen ist, darüber lässt sich an jedem Fall streiten.

Am Fall der Bayreuther Festspiele z.B., welchen die Antragsteller ausführlich beschreiben, ist dies besonders deutlich zu machen.  Als die Bayreuther Festspiele 1953 das erste Mal vom Bund gefördert wurden – wenige Jahre nach der bereitwilligen Hingabe dieser Festspiele an die faschistische Diktatur – wurde dies recht durchsichtig sozial verbrämt und so begründet: „Mit seiner Förderungwill der Bund dazu beitragen, einen maßgeblichen Beitrag zur künstlerisch-ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Schaffen Richard Wagners in hoher Qualität am authentischen Ort zu leisten und sein Werk einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Einer breiten Öffentlichkeit! Wenn das damals so war, was ist heute daraus geworden? Viele reiche und schöne Menschen kommen nach Bayreuth, eine breite Öffentlichkeit unseres Landes ist das nicht. Außerdem wird Wagner heute auf allen Bühnen landauf, landab gespielt. Niemand muss nach Bayreuth, um sich dort mit seinem Schaffen auseinander zu setzen.

Insofern wäre grundsätzlich angebracht zu begründen, warum 60 Jahre später diese Festspiele immer noch mit dem wahrhaft nicht kleinen Betrag von 2,3 Millionen jährlich finanziert werden. Einmal grundsätzlich. Zum Anderen in Auseinandersetzung mit den vielfachen Mängeln und Unzulänglichkeiten des Betriebs, die in der Begründung des Antrags ausführlich beschrieben sind.

Über das Beispiel Bayreuth hinaus, ist es vollkommen richtig, allgemein einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb der geförderten Institutionen zu verlangen.
Vollkommen richtig ist ebenfalls die Forderung, dass  80% der Karten für den freien Verkauf zur Verfügung stehen sollten. 
Nicht zuletzt die Forderung nach einer angemessener Entlohnung und Lohngleichheit für Männern und Frauen.
Bei der bildenden Kunst ist eine Ausstellungsvergütung für die Künstlerinnen und Künstler überfällig. Die Linke hat sie in ihrem Antrag „Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen“  von 18.01.2012  gefordert und zwar über vom Bund geförderte Ausstellungen hinaus, da aber in erster Linie.

Ein anderes Beispiel ist die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.
Sie wird seit 2008 von der Bundesregierung auf der Grundlage  eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert.

Was 2008 mit der Summe von 148.000 Euro begann, ist im Laufe der Jahre immer weiter angestiegen. Und das trotz immer neuer, kritischer  Nachfragen seitens des Parlamentes. Seit 2010 kritisieren wir, dass Arnold Tölg und Hartmut Saenger stellvertretende Mitglieder des Stiftungsrates der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung sind. Beide haben sich vor ihrer Wahl mit unhaltbaren, geschichts-revisionistischen Äußerungen exponiert. Auf Grund dieser Tatsache lässt seitdem der Zentralrat der Juden seine Mitgliedschaft ruhen – und niemand von den Verantwortlichen scheint das zu bekümmern.

Im wissenschaftlichen Beraterkreis ist nach wie vor kein Vertreter des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma vertreten. Auch das scheint niemandem zu bekümmern.

Mehrfach haben wir und die Grünen in den Haushaltsberatungen eine Streichung der Mittel für die Stiftung beantragt.

Dennoch wird das Projekt unbeirrt und ohne Transparenz weiter gefördert.
7.178 Millionen sind bereits geflossen, politische Kritik wird ignoriert.        

Transparente Kriterien und verbindliche Rahmenbedingungen fordert der Antrag der Grünen. Und genau darum geht es.
Als  Mitglieder des Ausschusses für Kultur und Medien haben wir immer wieder erleben müssen, vollendete Tatsache vorgesetzt zu bekommen, wenn es um die Kulturförderung durch den Bund geht.

 Nach der berühmten Methode „Friss Vogel oder stirb“ sind wir zum Abnicken geradezu erpresst worden. Insofern halten wir den Punkt 4 des Forderungskatalogs für zentral, welcher in Zukunft regeln soll, das die Haushaltsentwürfe des BKM in den Haushaltsberatungen des Ausschusses für Kultur und Medien so rechtzeitig, detailliert, in schriftlicher Form vorzulegen sind, das eine Beratung noch vor den abschließenden Abstimmungen möglich ist.

Die Frage bleibt, wie der Bund den Erhalt unserer Kulturtradition und ihre gegenwärtige Vielfalt gleichermaßen fördern kann.
Das ist die Kernfrage und sie ist zugegebenermaßen nicht einfach zu beantworten.
Insbesondere dann nicht, wenn die Mittel gleich bleiben.
Auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gibt hier nur einen Anstoß zur Diskussion.

Da heißt es:

  • Neue Förderkriterien sollen entwickelt und veröffentlicht werden.
    Aber wer entwickelt sie?
  • Alle künstlerischen Sparten ( Musik, bildende  Kunst, Literatur und darstellende Künste) sollen zumindest annähernd gleichberechtigt vertreten sein. Aber wie setzt man diese Forderung um? Mit einer Quoten-Regelung? Das wäre möglicherweise ein Ansatz.
  • Eine Fach-Jury soll eingerichtet werden. Externe Expertinnen und Experten aus Kunst und Kultur, deren Besetzung im 4-Jahres-Rhythmus wechselt.

Fach-Jurys klingt immer gut. Aber welche Erfahrungen haben wir mit Fach-Jurys in der Vergangenheit gemacht? Einer Fach-Jury verdanken wir die goldene Schüssel als Freiheits- und Einheitsdenkmal. Das ist nur ein Beispiel unter vielen.

Vielleicht würde ein Arts Council, wie in Großbritannien üblich, hier positive Veränderungen schaffen. Mehr Transparenz ergäbe sich auf jeden Fall.

Nun muss die Ausschuss-Arbeit uns ein Stück weiter bringen. Der Anfang ist mit diesem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen gemacht, die Fraktion DIE LINKE wird ihn unterstützen.