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Wertmarke zur Freifahrtberechtigung für Menschen mit Behinderungen soll teurer werden

Rede von Ilja Seifert,

Erste Lesung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 17/10146

Eigentlich sollte dieser Gesetzentwurf still und leise, ohne Debatte im Bundestag an die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden. Auf Forderung der LINKEN gibt es nun wenigstens zu Protokoll gegebene Redebeiträge der Fraktionen. So kann die Öffentlichkeit erfahren, worum es bei dieser Änderung des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) geht.


Brauchen wir eigentlich eine Änderung des SGB IX? Ich meine Ja. Wir brauchen mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention endlich ein Leistungsgesetz, welches zur Ermöglichung von Selbstbestimmung und umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bedarfsgerechte, einkommens- und vermögensunabhängige Teilhabesicherungsleistungen gewährleistet.

Das ist aber nicht Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes. Dazu müsste man eher den Antrag der LINKEN „Teilhabesicherungsgesetz vorlegen“ (Bundestagsdrucksache 17/7889) in die Hand nehmen. Die Entscheidung über diesen Antrag trifft der Bundestag in der kommenden Sitzungswoche, am 18. Oktober.
Worum geht es also in diesem Gesetzentwurf?

Als eine Form des Nachteilsausgleiches und zur Verbesserung der Mobilität gibt es das Recht auf unentgeltliche Beförderung für viele schwerbehinderte Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer im öffentlichen Personennahverkehr. Die zur Beförderung verpflichteten Verkehrsunternehmen erhalten dafür einen Ausgleich von Bund und Ländern. Ein Ziel des Gesetzes ist, das Verwaltungsverfahren zwischen Bund, Ländern und Verkehrsträgern zu vereinfachen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Weniger bekannt ist, dass die freifahrtberechtigten Personen eine Eigenbeteiligung in Form des Erwerbs einer Wertmarke leisten müssen, wobei bestimmte Personengruppen, insbesondere Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Grundsicherung die Wertmarke unentgeltlich erhalten.

Mit der Begründung, „dass sich die Nutzungsmöglichkeiten und folglich auch der damit verbundene Wert erheblich erhöht haben“, soll der Preis der Wertmarke um 20 Prozent (von 60 auf 72 Euro) erhöht und künftig dynamisiert (also weiter erhöht) werden.
Ja es stimmt. Die Behindertenbewegung hat es erkämpft, dass die Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs sich in den letzten Jahren verbesserten (ohne das der Preis der Wertmarke stieg). Sie sind aber auf Grund zahlreicher Barrieren noch längst nicht im vollen Umfang gewährleistet.
Es stimmt aber auch, dass sich die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen seit März 2009, also dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention mehr verschlechtert als verbessert hat.

Es sind die vielen kleinen Beiträge, die gerade auch für die vielen mit niedrigen Einkommen haushaltenden Menschen mit Behinderungen zu Buche schlagen. Es sind die Mehrkosten in Folge der Gesundheitsreformen, es sind die überproportional gestiegen Kosten für Miete und Mietnebenkosten, die hohen Benzinkosten, es ist die Absenkung der Grundsicherungsleistungen durch Einführung der Regelbedarfsstufe 3, um nur einige Punkte zu nennen.

Für mehr als 580.000 Menschen mit Behinderungen, die bislang von Rundfunkgebühren befreit waren, wird der Nachteilsausgleich ab 1. Januar 2013 gestrichen. Und nun steigt der Preis der Wertmarke für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs um 20 Prozent.
55 Millionen Euro sind die aus dem Wertmarkenverkauf geplanten Einnahmen für Bund und Länder. Rund 11 Millionen Euro mehr, weil die Menschen mit Behinderungen wieder einmal zur Kasse gebeten werden. Das ist nicht der Weg in eine inklusive Gesellschaft und nicht der Weg, um auch diesem Teil der Bevölkerung eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben der Gesellschaft zu ermöglichen.

Deswegen ist sich DIE LINKE an dieser Stelle einig mit der Behindertenbewegung: Die Gebührenerhöhung lehnen wir ab.