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"Wer studieren möchte, sollte dies unabhängig und selbstständig von seinen Eltern tun können"

Rede von Nele Hirsch,

Sehr geehrter Herr Präsiden, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bis heute lässt sich die Große Koalition für ihr BAföG-Reförmchen im vergangenen Jahr feiern. Die Frage ist nur wofür: Mit der 22. BAföG-Novelle wurden ausschließlich längst überfällige oder dringend notwendige Punkte beschlossen. Dem tatsächlichen Reformbedarf wurde die Novelle nicht gerecht. Dies betrifft sowohl die Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge als auch die vorgenommenen strukturellen Änderungen.

Was die Freibeträge und Bedarfssätze betrifft, so verständigten sich SPD und Union nach langem Ringen auf eine BAföG-Erhöhung um gerade einmal 10 Prozent. In den letzten Jahren hatte der Beirat jährlich eine rund zweiprozentige Erhöhung aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten gefordert. Die Freibeträge wurden nach sechsjähriger Stagnation um gerade einmal 8 Prozent erhöht. Faktisch wurde damit eine Politik der weiteren Aushöhlung des BAföG betrieben. Damit diese Politik nicht weiterbetrieben werden kann, fordern wir mit unserem Antrag eine automatische Kopplung der Bedarfssätze an die Steigerung der Lebenshaltungskosten.

Wir alle wissen, um den erheblichen Einfluss der Gestaltung der Studienfinanzierung auf die Zugangsmöglichkeiten zum Studium und auf die soziale Zusammensetzung der Studierenden. Trotzdem wurde die 22. BAföG-Novelle noch nicht einmal dem entstehenden Reformbedarf durch die Umstellung der Studienstruktur auf Bachelor/Master gerecht. Am Beispiel der Altersgrenze wird dies besonders deutlich: Aktuell besteht eine Altersgrenze von 30 Jahren im BAföG.
Angesichts der Forderungen nach mehr Flexibilität, nach individueller Gestaltung der Bildungsbiographie und nach lebenslangem Lernen ist diese Altersgrenze anachronistisch. Zudem hat sie sich durch die zweistufige Studienstruktur verschärft: Während Studierende früher mit 33 Jahren einen vollständig geförderten Diplomstudiengang abschließen konnten, endet die Förderung heute in diesem Fall bereits bei 31 Jahren mit dem Bachelorabschluss. Wer daran einen Masterstudiengang anschließen will oder muss, geht leer aus.

Auch weitere Punkte stoßen immer wieder auf Kritik und müssten geändert werden. Etwa diskriminiert das BAföG eingetragene Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe, indem für sie beispielsweise Teilerlasse ausgeschlossen sind sowie die Anrechnung des Einkommens nicht erfolgt und dementsprechend auch keine Einkommensfreibeträge im BAföG berücksichtigt werden. Bei der Berücksichtigung von Fremdsprachenkenntnissen wird mit unterschiedlichem Maß gemessen. Die elternunabhängige Förderung ist nicht umfassend genug. Mit einer Änderung in diesen Punkten wäre vielen Studierenden geholfen. Deshalb setzt sich DIE LINKE noch in dieser Legislatur für eine BAföG-Novelle ein, die diesen Reformbedarf endlich angeht.

Mittelfristig muss das BAföG aber grundlegend reformiert werden. DIE LINKE möchte die Hochschulen sozial öffnen und zugleich Studierende als erwachsene Menschen ernst nehmen. Deshalb wollen wir eine Studienfinanzierung, die als Vollzuschuss gezahlt wird, so dass Studierende nach ihrem Studium nicht vor einem Schuldenberg stehen. Zudem muss das Schüler-BAföG ausgeweitet werden, damit der Bildungsungleichheit bereits frühzeitig begegnet werden kann. Zum anderen setzen wir uns dafür ein, die Studienfinanzierung Schritt für Schritt elternunabhängig zu gestalten. Wer studieren möchte, sollte dies unabhängig und selbstständig von seinen Eltern tun können.

Vor diesem Hintergrund schlagen wir heute das „Zwei-Körbe-Modell“ vor. Der erste Korb soll aus einem für alle Studierenden einheitlichen Sockelbetrag bestehen, in dem alle kindbezogenen Transferleistungen und Freibeträge zusammengefasst werden und direkt an die Studierenden fließen. Der zweite Korb soll aus einem - in einem ersten Schritt elternabhängigen - Zuschussteil bestehen, der schrittweise hin zur Elternunabhängigkeit ausgeweitet wird.

Hinzu kommen muss selbstverständlich eine bundesweite Gebührenfreiheit des Studiums, für das DIE LINKE eintritt. Das Bezahlstudium konterkariert sämtliche Bestrebungen die Hochschulen zu öffnen und die Studierendenquote zu erhöhen. Deshalb müssen Studiengebühren in allen Bundesländern Geschichte werden.

Neben den bisherigen BAföG-Leistungen und den gebündelten kindbezogenen Transferleistungen und Freibeträgen soll unser Modell durch eine sozial gerechtere Steuerpolitik finanziert werden. Die Hochschulbildung sehen wir somit als eine öffentliche Aufgabe an, die auch öffentlich finanziert werden muss. Wer studiert sollte dies nicht als Investition in das eigene Humankapital begreifen, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. So könnte die Gestaltung der Studienfinanzierung nicht nur zu einem sozial gerechterem Studium führen, sondern auch zu einem Umdenken, was ihre gesellschaftspolitische Funktion betrifft.

Besten Dank!