„Die Interessen der multinationalen GVO-Saatgutkonzerne haben nichts mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu tun. Wenn man den neuesten Studien über die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen der Anwendung Grüner Gentechnik auswertet, stellt man fest, dass sie auch wenig mit den Interessen der Landwirte zu tun haben.“ Kirsten Tackmann in der Debatte zur Zweiten Beratung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, DS 16/430 und DS 16/628
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Lebensmittelbranche, das heißt die Land- und Lebensmittelwirtschaft, hat in Deutschland und Europa unter den Bedingungen eines globalisierten Welthandels nur eine Zukunft, wenn ihre Produkte in Preis und Qualität dem entsprechen, was Verbraucherinnen und Verbraucher akzeptieren und - das muss man in Zeiten von prekären Beschäftigungsverhältnissen, Niedriglohnsektor und Hartz IV hinzufügen - was sie sich noch leisten können. Eine große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt aus unterschiedlichen Gründen den Konsum, viele sogar die Produktion von GVO-Lebensmitteln ab. Auch Landwirte sind - ich denke mit Recht - sehr skeptisch. Das ist eine Tatsache, die in der Debatte um das Gentechnikgesetz berücksichtigt werden muss. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Trotz des insbesondere auf dem amerikanischen Kontinent exorbitant gewachsenen Anbauanteils gentechnisch veränderter Pflanzen ist es bei uns in Europa ebenso wie in großen Teilen Asiens nicht zu einer höheren Akzeptanz von GVO gekommen. Der Druck, GVO Kulturpflanzensorten zu zulassen, ist also nicht auf der Nachfrageseite entstanden. Ganz im Gegenteil: Er stieg vor allem auf der Seite der Saatgutanbieter. (Beifall bei der LINKEN) Die Interessen der multinationalen GVO-Saatgutkonzerne haben aber nichts mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu tun. Wenn man den neuesten Studien über die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen der Anwendung Grüner Gentechnik auswertet, stellt man fest, dass sie auch wenig mit den Interessen der Landwirte zu tun haben. Der Koalitionsvertrag macht im Zusammenhang mit der Grünen Gentechnik drei Versprechen: Vorsorge, Koexistenz und Wahlfreiheit. Daran muss sich die konkrete Politik der Koalition messen lassen. Voraussetzung wäre die Sicherstellung einer Erzeugung ohne Gentechnik sowie des Bezugs von gentechnikfreien Rohstoffen, Zusatz- und Hilfsstoffen, und zwar unter den Bedingungen eines komplexen Systems der Arbeitsteilung; denn die meisten Lebensmittel gehen heute durch viele Hände, bevor sie beim Verbraucher ankommen. Wer aber Koexistenz und Wahlfreiheit unter diesen Bedingungen verspricht, muss auch für Transparenz und Information sorgen, und zwar ohne Einschränkung. (Beifall bei der LINKEN) Genau das sichert der Entwurf nicht. In § 28 a Gentechnikgesetz wird nicht etwa ein konkreter Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Information formuliert, sondern lediglich eine Unterrichtungsermächtigung der Behörden mit eher komplizierten und einander widersprechenden Beurteilungs- und Ermessensspielräumen. Spielräume sind bekanntlich manchmal unergründlich. In Abs. 3 werden außerdem vier umfangreiche Fallgruppen definiert, wann Informationen gar nicht weitergegeben werden dürfen. § 28 a Gentechnikgesetz wird damit zum Unterrichtungsverhinderungsparagraphen. Es stellt sich die Frage, wessen Interessen gesetzlich eigentlich geschützt werden. Ich vermag vor allem eine kleine Gruppe zu erkennen, die offensichtlich wenig Interesse an Transparenz hat: die Saatgutkonzerne, vielleicht auch mancher GVO-Anwender. Es kann doch nicht Aufgabe von Politik sein, Lobbyinteressen über das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu stellen, (Beifall bei der LINKEN) erst Recht nicht im Zusammenhang mit der Anwendung einer Risikotechnologie, die mit nicht rückholbaren Folgen verbunden ist. Wenn Grüne Gentechnik denn so harmlos und selig machend ist, wie es von vielen Befürwortern dargestellt wird, frage ich mich, wieso die Informationsrechte dann so restriktiv gehandhabt werden müssen. Für die Fraktion Die Linke bleibt der Informationsanspruch der Öffentlichkeit elementarer Bestandteil demokratischer Teilhabe. Schon deswegen können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der LINKEN)
Wer Koexistenz und Wahlfreiheit verspricht, muss für Transparenz und Information sorgen.
Rede
von
Kirsten Tackmann,