Fast zwei Jahre nachdem die Vollversammlung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) das Übereinkommen 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte verabschiedet hat, hat nun auch die Bundesregierung die Prüfung zur Ratifizierung des Übereinkommens abgeschlossen. Mit der heutigen Beratung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung schaffen wir heute abschließend die Voraussetzung zur Ratifizierung des Abkommens.
Um das klar zu sagen: Das ist allerdings nicht allein ein Verdienst der Bundesregierung, sondern vor allem ein Verdienst zahlreicher Initiativen und Verbände, die sich vehement für eine rasche Ratifizierung des ILO Übereinkommens eingesetzt haben. Sie waren es, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Deutschland zu den ersten europäischen Ländern gehört, indem die Konvention verbindlich wird.
Das ist auch bitter nötig: Nach der im Januar von der ILO vorgestellten Studie, die erstmals das Ausmaß und die Situation von Hausangestellten untersucht hat, gibt es weltweit mindestens 52 millionen Hausangestellte. Die Studie soll zukünftig die Grundlage dafür schaffen, wie die Situation für diese Menschen verbessert werden kann.
Allein für Deutschland geht das Statistische Bundesamt von rund 712.000 Hausangestellten aus. Allerdings dürfte die Dunkelziffer weitaus höher liegen: So geht der Deutsche Gewerkschaftsbund davon aus, dass rund 2,6 Millionen deutsche Haushalte regelmäßig Hausangestellte auf Teilzeitbasis beschäftigen sind. Ein großer Teil arbeitet schwarz.
Wir müssen feststellen, dass die Strategie zur Legalisierung und zur Einhaltung von Arbeitsrechten haushaltsnaher Dienste in Deutschland bisher nicht sonderliche erfolgreich waren. Besonders betroffen sind Frauen aus Polen und anderen mittel- und osteuropäischen Staaten, die über dubiose Vermittlungsagenturen angeheuert, in der 24-Stunden-Pfleg tätig sind und in häuslicher Gemeinschaft mit ihrem Arbeitgeber leben. Gerade hier werden arbeitsrechtliche Bestimmungen massenhaft missachtet. Vor allem Arbeitszeit-Standards werden nicht eingehalten, die Privatsphäre wird nicht geachtet, oft fehlen Arbeitsverträge oder Löhne werden vorenthalten.
Gleichwohl hat die Bundesregierung eine entscheidende Abweichung im ihrem Gesetzentwurf vorgenommen: Sie interpretiert das Übereinkommen so, dass die 24-Stunden-Pflege vom ILO-Abkommen nicht erfasst ist. Damit bleibt der „Graue-Pflegemarkt“ auch weiterhin unreguliert. Die quasi rechtlose Lage der 24-Stunden-Pflegenden wird so zementiert. Für die Betroffenen – und hier meine ich nicht nur die Hausangestellten, sondern auch die Angehörigen von zu pflegenden Menschen, die oftmals mit der Situation völlig überfordert sind, werden von der Bundesregierung weiterhin im Stich gelassen. Aus unserer Sicht ein inakzeptabler Zustand! Hier haben sie sich einen schlanken Fuß gemacht! Gerade für Menschen, in der 24-Stunden-Pflege brauchen wir vergleichbare arbeitsschutzrechtliche Regelungen, wie sie für alle anderen Beschäftigten auch gelten.
Nichts desto trotz, bietet die Ratifizierung dennoch Entwicklungsmöglichkeiten gerade für diese Beschäftigten-Gruppe, die ohne die Gültigkeit des Abkommens für Deutschland nicht vorhanden wären, ein nicht zu unterschätzender Fortschritt: Mit der Ratifizierung gelangt die Praxis des jeweiligen Landes in den Überwachungsmechanismus der ILO und erlaubt so den Sozialpartnern, auf die Bewertung der Rechtslage und der Praxis Einfluss zu nehmen sowie den Rechtsweg zu beschreiten.
Das Beispiel des Grauen-Pflegemarktes zeigt: Ausbeutung und der Missbrauch der Rechte von Hausangestellten ist auch in Deutschland kein Einzelfall. Hier steckt die Bundesregierung den Kopf in den Sand. Die Hans-Böckler-Stiftung hat bereits im Mai 2012 festgestellt, dass „…nach der Ratifikation noch Schritte zur vollständigen Verwirklichung der Konventionsrechte vorgenommen werden müssten.“ Wer also glaubwürdig sein und ein solches Abkommen mit Leben füllen will, muss an der eigenen Haustür anfangen. Und das heißt, dass wir auch bei uns vor Ort für faire und gute Arbeitsbedingungen sorgen müssen.
Insofern bieten der gemeinsame Antrag der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN dafür eine gute Vorlage, auf der Strecke noch weiter tätig zu werden. Dies gilt auch für ihre Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, der, um wenigstens nach 45 Versicherungsjahren einen Rentenanspruch oberhalb der Grundsicherung zu erwerben, nach unserer Auffassung bei mindestens 10 Euro liegen müsste.