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Foto: Rico Prauss

Weniger soziale Spaltung statt mehr schwarze Null

Rede von Susanna Karawanskij,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Rehberg, als ich Ihnen vorhin bei Ihrer Rede zugehört habe, da ist bei mir vor allen Dingen hängen geblieben, dass Sie Sicherheit einfach nur mit mehr Polizei verbinden. Der zentrale Aspekt, der unsere Politik von Ihrer unterscheidet, ist, dass wir vor allen Dingen soziale Sicherheit meinen.

(Beifall bei der LINKEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Man kann auch beides machen!)

Schauen Sie sich die Realität da draußen doch einmal an:

(Zuruf des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])

Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander; die soziale Spaltung im Land nimmt zu. Und die Bundesregierung? Sie lobt sich selber. Auch Sie kommen da gar nicht mehr aus dem Lob heraus.

(Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Wir haben ja auch recht!)

Sie betonen die finanziellen Überschüsse, aber Sie vergessen, zu erwähnen, wer denn eigentlich die finanziellen Überschüsse erwirtschaftet. Das sind nämlich genau die Menschen da draußen. Für die muss das Geld bereitgestellt werden, und für die müssen die Überschüsse eingesetzt werden – und nicht für die Wahrung einer abstrakten Zahl, nämlich der schwarzen Null, die Sie hier präsentieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen Gerechtigkeit in diesem Land, allem voran Steuergerechtigkeit. Wir Linke schlagen ein Steuerkonzept vor, durch das wir wirklich die unteren und mittleren Einkommen entlasten und Großverdiener und Superreiche mit Augenmaß belasten. Schauen wir uns doch einmal die Beispiele auf der Einnahmenseite des Bundes und der Länder an:

Bei der Erbschaftsteuer liefern Sie von der Großen Koalition wirklich ein Trauerspiel. Wir reden hier nicht über das kleine Blumengeschäft oder den Friseursalon um die Ecke, wir reden an dieser Stelle über schwerreiche Unternehmen, die anzutasten Sie nicht gewillt sind. Es werden nach wie vor große Vermögen vererbt. Unternehmenserben werden rechtswidrig im großen Stil bevorzugt und können nur allzu leicht die Steuer umgehen. Um die soziale Spaltung in diesem Land zu kitten, ist eine angemessene Besteuerung großer Erbschaften bitter nötig.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, soziale Gerechtigkeit würde auch die Wiederbelebung der Vermögensteuer schaffen, für die die Linke eintritt. Es kann doch nicht angehen, dass 10 Prozent der Deutschen 60 Prozent des Gesamtvermögens besitzen. Hier braucht es eine Umverteilung. Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten, sonst bleiben die Armen in Ost und West weiterhin abgehängt, während Superreiche große Teile ihres Geldes wieder ungeniert nutzen, um auf den Finanzmärkten dieser Welt das Geld gewinnbringend anzulegen.

Damit komme ich zum zweiten Punkt meiner Rede: Finanzmarktregulierung. Da bleibt viel zu tun. Natürlich gab es einige Gesetze, vor allen Dingen angestoßen durch die europäische Ebene, die die Finanzmärkte sicherer und vor allen Dingen zukunftsfest machen sollten für zukünftige Krisen. Aber man muss an dieser Stelle sagen, dass Quantität nicht gleich Qualität bedeutet. Immer wieder kommen hier Stimmen, die sagen: Ja, wir brauchen jetzt ein Ende der Regulierung. – Sie sprechen gar von Überregulierung.

Herr Schäuble, Sie haben sich ja gerade auf europäischer Ebene vehement für eine Finanztransaktionsteuer eingesetzt. Aber wo bleibt die? Fakt ist: Wir haben immer noch keine. Wir haben genauso wenig ein funktionierendes Trennbankensystem, in dem die Einlagen der Sparerinnen und Sparer von den hochriskanten Spekulationsgeschäften getrennt sind. Aber das Problem, dass es weiterhin Kapitalstöcke gibt, die nach renditeträchtigen Anlagen suchen, besteht doch weiter. Hier muss man überlegen, welche Geschäfte tatsächlich mit wie viel Eigenkapital hinterlegt sind. Außerdem müssen wir über eine sozial gerechte Besteuerung sprechen,

(Beifall bei der LINKEN)

damit hier für Augenhöhe gesorgt wird.

Denn trotz einer Vielzahl von Gesetzen seit Ausbruch der Finanzkrise geht das Zocken an den Finanzmärkten fast uneingeschränkt weiter. Täglich kommt eine Vielzahl von Finanzmarktprodukten auf den Markt – meistens undurchsichtig, meistens hochriskant. Und diese sind häufig volkswirtschaftlich überhaupt nicht notwendig.

Deswegen sagen wir: Wir brauchen einen Finanz-TÜV. Wir schlagen vor, dass Finanzgeschäfte und Finanzinstrumente in Zukunft einer verbindlichen Zulassungsprüfung zu unterwerfen sind, damit intransparente und gefährliche Finanzmarktinstrumente überhaupt nicht in Umlauf kommen. Die BaFin macht ja auch deutlich, dass das eine Ultima Ratio und ein richtiger Schritt ist, indem sie zum Beispiel vorschlägt, Bonitätsanleihen zu verbieten, damit entsprechende Produkte hier nicht auf den Markt gelangen und vor allen Dingen nicht in die falschen Hände kommen. Aus unserer Sicht sollen die Finanzdienstleister die Unbedenklichkeit ihrer Produkte erst einmal nachweisen.

Ein solcher Finanz-TÜV, der auf europäischer Ebene eingeführt und verankert wird, würde vor allen Dingen für übersichtliche Finanzmärkte mit ökonomisch sinnvollen und transparenten Finanzmarktinstrumenten sorgen und damit tatsächlich eine gute, effektive Grundlage für finanziellen Verbraucherschutz schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mein abschließender Blick gilt den Kommunalfinanzen. Ja, es ist mehr Geld in die Länder und Kommunen geflossen –

(Zuruf von CDU: So viel wie nie!)

aber vor allen Dingen häppchenweise. Beim Vorschlag zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen fehlt es an einem Konzept zur Stärkung der Finanzkraft von Ländern und Kommunen. Die Kommunen müssen dauerhaft bei den Sozialausgaben entlastet werden und vor allen Dingen auf der Einnahmeseite auf stabile Füße gesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Entsprechende Anträge haben wir als Linke vorgelegt.

Um es an dieser Stelle noch einmal zu sagen: Es ist der völlig falsche Weg, durch die Privatisierung von Autobahnen und Fernstraßen Banken und Versicherungen einzubeziehen. Solche Projekte können die Gebietskörperschaften auch selber umsetzen. Herr Kahrs, Sie haben vorhin gesagt, wenn die Mittel gar nicht abflössen, bräuchten wir das auch nicht durch private Investoren machen zu lassen. Dann können wir es aber direkt als Bund machen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, die schwarze Null auf dem Papier ist nichts wert, wenn das Geld nicht bei den Menschen ankommt. Wir brauchen Investitionen in Infrastruktur, in Bildung und in Forschung. Wir brauchen die Stärkung der Binnennachfrage. Wir brauchen vor allen Dingen gute, stabile Sicherungssysteme, damit niemand Angst vor Kinderarmut, vor Altersarmut und insbesondere auch vor Erwerbslosigkeit haben muss.

Auf verschiedenen Ebenen, auch hier im Bundestag, haben wir entsprechende Konzepte vorgelegt. Wir setzen auf Steuergerechtigkeit, Finanzmarktregulierung und nicht zuletzt auf stabile Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)