Die Staaten des Vorderen Orients haben aus den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre den Schluss gezogen : Nur derjenige, der Atomwaffen besitzt, läuft keine Gefahr, von den Vereinigten Staaten angegriffen zu werden. Ob es uns passt oder nicht, das ist die Haltung dort. Diese muss man zur Kenntnis nehmen. Wir müssen gegenüber dem Iran ein faireres Verhalten an den Tag legen, auch wenn sich das dortige Regime zurzeit tatsächlich auf eine Art und Weise verhält, die die Weltöffentlichkeit nicht akzeptieren kann. Deshalb fordern wir eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten. Oskar Lafontaine zum Antrag der LINKEN : Weiter verhandeln - kein Militäreinsatz in Iran ( Drs. 16/ 452)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes befinden wir uns heute in einer ungewöhnlichen Situation, und zwar deshalb, weil innerhalb der großen Koalition gegenseitige Vorwürfe erhoben werden, die wenn man die Erfahrungen der Republik der letzten Jahrzehnte betrachtet nicht alltäglich sind. (Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Das stimmt!) Der kleine Koalitionspartner unterstellt dem größeren Koalitionspartner, dass die Vorsitzende militärische Optionen gegenüber dem Iran erwäge. Anders sind die Ausführungen und Auseinandersetzungen der letzten Tage nicht zu verstehen. (Zuruf von der CDU/CSU: Doch!) Dass Sie versuchen, dies unter der Decke zu halten und gleich vielleicht wortreich bekunden, dass das alles gar nicht so sei, ist verständlich. Aber es ändert nichts an dem Sachverhalt, der öffentlich bekannt ist. Ich will das für unsere Fraktion so kommentieren: Entweder meint die SPD das ernst; dann würde ich mir als Sozialdemokrat die Frage stellen, ob ich mit so einer Kanzlerin in einer gemeinsamen Regierung sein möchte. (Beifall bei der LINKEN) Oder sie meint es nicht ernst; dann ist es zumindest ein verantwortungsloser Umgang mit diesem Thema. Denn das Thema ist zu ernst, als dass man es auf diese Art und Weise behandeln könnte. Ich will nun zum Thema selbst etwas sagen: Ich unterstelle der Kanzlerin nicht, dass sie auf militärische Optionen zielt. (Dr. Karl Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU): Das ist ein Fortschritt!) Ich will das hier im Deutschen Bundestag ausdrücklich festhalten. Die Frage ist allerdings, ob die Iranpolitik der Bundesregierung, wie sie derzeit angelegt ist, richtig ist, um solche militärischen Optionen nicht weiter zu befördern. Dazu von unserer Seite folgende Bemerkung: Wir glauben, dass die Politik des Westens gegenüber dem Iran im Grundsatz nicht aufrechtzuerhalten ist. Warum? Erstens gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die immer noch sagen: Wir selbst wollen Atomwaffen haben, wir verbieten es aber anderen, Atomwaffen herzustellen. Auf dieser Grundlage wird es keine atomare Abrüstung in der Welt geben. Es wird immer so sein, dass es Staaten gibt, die ebenfalls Atomwaffen haben wollen. Auf der Grundlage eines solchen Widerspruchs kann man keine friedliche Politik machen. (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass der Iran Atomwaffen anstrebt. Alles andere wäre völlig unrealistisch. Sie können in jeder Tageszeitung des Vorderen Orients und darüber hinaus nachlesen, dass die Staaten dort aus den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre den Schluss gezogen haben: Nur derjenige, der Atomwaffen besitzt, läuft keine Gefahr, von den Vereinigten Staaten angegriffen zu werden. Ob es uns passt oder nicht, das ist die Haltung dort. Diese muss man zur Kenntnis nehmen. Deshalb ist es selbstverständlich, dass sie Atomwaffen anstreben. Nun zum zweiten Widerspruch. Es ist nicht nur so, dass man eine Politik macht auf der Grundlage: Wir wollen Atomwaffen haben, ihr dürft sie nicht haben. Man sagt auch: Wir halten uns nicht an den Atomwaffensperrvertrag und euch verbieten wir, die Möglichkeiten des Atomwaffensperrvertrages zu nutzen. Wie kann man mit einer solch widersprüchlichen Politik überhaupt Frieden erreichen wollen? (Beifall bei der LINKEN) Die Anreicherung von Uran ist im Atomwaffensperrvertrag ausdrücklichen erlaubt. Die gegenwärtigen Atommächte, die ihn unterschrieben haben das liegt schon Jahrzehnte zurück , haben sich bereit erklärt, international kontrolliert zu werden und vollständig abzurüsten. Wenn man sich vor Augen hält, dass sie den Atomwaffensperrvertrag gebrochen haben, dann erkennt man, dass auf dieser Grundlage der Frieden nicht erhalten und dieser Konflikt nicht geschlichtet werden kann. Daher glaubt die Fraktion Die Linke, dass man vom Grundsatz her anders vorgehen muss: Wir müssen gegenüber dem Iran ein faireres Verhalten an den Tag legen, auch wenn sich das dortige Regime zurzeit tatsächlich auf eine Art und Weise verhält, die die Weltöffentlichkeit nicht akzeptieren kann. Deshalb fordern wir nach wie vor eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten. Wir fordern allerdings auch, Gewaltverzicht gegenüber jedermann anzustreben und Nichtangriffsgarantien auszusprechen; das ist ganz entscheidend. (Beifall bei der LINKEN) Selbstverständlich streben wir ebenso die Garantie des Existenzrechts Israels an. Mit demselben Nachdruck setzen wir uns allerdings auch für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates ein. Hier im Deutschen Bundestag möchte ich betonen, dass dies für uns eine genauso große Verpflichtung ist wie der Einsatz für die Anerkennung des Existenzrechts Israels. (Beifall bei der LINKEN) Denn aufgrund unserer Geschichte haben wir auch gegenüber dem palästinensischen Volk eine Verantwortung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Lafontaine, kommen Sie bitte zum Schluss. Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Ja. Mein letzter Punkt. Wie Sie dem von uns vorgelegten Antrag entnehmen können, sind wir der Meinung, dass wir die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Vorderen Orient anstreben sollten; dabei sollten wir das einbeziehen, was ich gerade gesagt habe. Auch wenn es um den Vorderen Orient geht, kann man nicht einfach sagen: Die einen dürfen Atomwaffen besitzen, die anderen nicht. So werden wir niemals Frieden erreichen. (Beifall bei der LINKEN
Weiter verhandeln - kein Militäreinsatz in Iran
Rede
von
Oskar Lafontaine,