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Wehrpflicht abschaffen - Mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Pflege und Gesundheit schaffen

Rede von Harald Koch,

TOP 16: Antrag Grüne ”Wehrpflicht beenden”, Drs. 17/1431

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Titel des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen bringt es auf den Punkt: „Wehrpflicht beenden“. Die Linke fordert, die Wehrpflicht mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Dafür gibt es mehr als nur einen guten Grund:

Erstens. Die Wehrpflicht ist ein Zwangsdienst, durch den immer Grund- und Bürgerrechte eingeschränkt und zum Teil aufgehoben werden.
(Karin Strenz (CDU/CSU): Er spricht über Bürgerrechte!)

Dieser übermäßige Eingriff in die Lebensplanung und das Selbstbestimmungsrecht junger Menschen muss ein Ende haben.
(Beifall bei der LINKEN)

Man kann nicht einerseits die Bedeutung von Bildung hervorheben und andererseits Menschen durch Verzögerungen bei Ausbildung und Studium deutlich benachteiligen.

Zweitens. Die Umsetzung der Wehrpflicht, im Speziellen der Auswahlprozess, ist willkürlich und ungerecht. Nur etwa 15 Prozent eines Jahrgangs leisten den Grundwehrdienst; mehr als 50 Prozent der Wehrpflichtigen leisten weder Grundwehrdienst noch Zivildienst. Es ist doch blauäugig, zu denken, dass eine Verkürzung der Dienstzeit auf sechs Monate daran grundlegend etwas ändern würde. Da im Zivildienst etwa dreimal so viele Dienstposten zur Verfügung stehen, werden Kriegsdienstverweigerer mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit zum Zivildienst einberufen als die Nichtverweigerer zum Grundwehrdienst. In Anbetracht der derzeitigen Haushaltslage wäre die komplette Abschaffung der Wehrpflicht auch kostengünstiger als die Verkürzung der Dienstzeit.

Ungleichbehandlung ist an der Tagesordnung; Wehrgerechtigkeit gibt es schon seit langem nicht mehr - ein Grund mehr, die absolut ungerechte und überflüssige Wehrpflicht abzuschaffen.
(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Die einzige Aufgabe der Wehrpflicht ist es heute, auf praktische, wenn auch sehr teure Art und Weise Nachwuchs zu gewinnen. Das ist verfassungsrechtlich nicht gewollt; das wird die Linke nicht hinnehmen.
(Karin Strenz (CDU/CSU): Das kümmert uns gar nicht!)

Viertens. Ob Schwarz-Gelb, die Große Koalition oder Rot-Grün: Bei allen war Sozialabbau Regierungsprogramm. Der Sozialstaat wurde unaufhörlich geschliffen. Der durch die Wehrpflicht begründete Zivildienst, der schon längst Regel- statt Ersatzdienst ist, macht junge Menschen zu unterbezahlten Lückenbüßern in einem Sozialsystem, das vorher bewusst und wissentlich finanziell ausgetrocknet wurde.
Dass das Gebot der Arbeitsmarktneutralität des Zivildienstes reine Makulatur ist, sieht man zum Beispiel im Pflegebereich, wo reguläre Arbeitsplätze ersetzt und verdrängt werden. Zivildienstleistende übernehmen oft Tätigkeiten, die eigentlich von ausgebildeten Fachkräften ausgeübt werden müssten. Ihr Einsatz führt dazu, dass die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen und die Durchsetzung höherer Löhne für Beschäftigte im Sozialbereich erschwert wird.

Die Linke fordert: Es muss endlich aufhören, dass Zivildienstleistende im sozialen Bereich als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Diese Lohndrückerei im Sozial- und Gesundheitswesen lehnen wir ab.
(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen in erster Linie mehr tariflich entlohnte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Pflege- und Gesundheitsbereich.
(Karin Strenz (CDU/CSU): Reichtum für alle! Gegenruf von der LINKEN: Warum nicht?)

Wir brauchen dafür auch einen starken öffentlich finanzierten Beschäftigungssektor.

Daneben müssen Jugendfreiwilligendienste gestärkt werden, sodass jeder, der sich dort freiwillig engagieren möchte, dies auch tun kann. Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement braucht insgesamt Stärkung, Förderung und sozial gerechte Rahmenbedingungen. Es ist eine wichtige soziale Zugabe, darf aber nicht die Schaffung regulärer Arbeitsplätze verhindern.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Wehrpflicht schützt nicht vor Krieg, sondern behindert grundsätzliche Abrüstungsschritte bei der Bundeswehr und erleichtert somit die Fortführung bewaffneter Konflikte. Sie ist ein Auslaufmodell und wird keineswegs für die Landesverteidigung gebraucht.

Deshalb: Weg mit der Wehrpflicht! Schluss mit allen Zwangsdiensten!

Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)