Zum Hauptinhalt springen

Was heißt „maritime Sicherheit“ der NATO?

Rede von Alexander S. Neu,

Rede zur Mandatsverlängerung der Operation Active Endeavour

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte drei Anmerkungen zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr machen.

Erste Anmerkung. Bundeswehreinsätze wollen einfach nicht enden. Sie fangen an, aber sie hören nicht mehr auf.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Antiterroroperation Operation Active Endeavour im Mittelmeer ist ein anschauliches Beispiel für einen Militäreinsatz ohne Beendigungsperspektive, obschon nicht einmal eine konkrete Bedrohung vorliegt. Man rutscht offensichtlich immer viel schneller in einen Einsatz hinein, als man wieder herauskommt oder herauskommen will. Beispiele: Operation Active Endeavour im Mittelmeer, angefangen im Oktober 2001. 14 Jahre später reden wir immer noch darüber, dass diese Mission faktisch nicht beendet wird, und es ist auch nicht gewollt, dass sie beendet wird.

(Niels Annen (SPD): Das ist doch keine Willkür! Hören Sie doch mal zu!)

Kosovo: 16 Jahre. Afghanistan: 14 Jahre. Der Afghanistan-Einsatz sollte ursprünglich 2016 beendet werden. Es gab einen neuen Missionsnamen: Resolute Support stand für die Beendigungsphase. Stattdessen hören wir nun: Nein, wir setzen das fort - mit sogar noch mehr Soldatinnen und Soldaten. Außerdem bekommt man seitens der Bundesregierung immer dieselben Durchhaltephrasen zu hören. Eine Lösung des Konflikts ist nicht erkennbar. Stattdessen ist immer das gleiche Argument vernehmbar. Sie hätten die Rede, die Sie gerade hier gehalten haben, Herr Roth, auch vor zehn Jahren halten können. Da wäre inhaltlich kaum ein Unterschied gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Gabi Weber (SPD): Das sind wir gar nicht alleine!)

All dies beweist: Militärische Einsätze lösen keine Konflikte, sondern vertiefen sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Phrasendrescherei ist einfach nicht zu übersehen;

(Florian Hahn (CDU/CSU): Machen Sie doch gerade!)

da kann die PR-Abteilung der Bundesregierung sich noch so abstrampeln und von erfolgreichen Friedensmissionen schwafeln.

(Florian Hahn (CDU/CSU): Das sind doch Ihre Phrasen gerade!)

Zweite Anmerkung. Das Argument der „abstrakten Bedrohung“ - ich habe mir das einmal durch den Kopf gehen lassen, auch einmal die Bundesregierung befragt, was das heißt - ist nichts anderes als ein Legitimationsrahmen für Großmachtdenken. Bis heute gibt es keine konkrete Bedrohung im Mittelmeer und keinen konkreten Vorfall, nur eine - ich zitiere - „als abstrakt zu bewertende terroristische Bedrohungssituation“, so die Bundesregierung in ihrem Antrag. Die Argumentation der „abstrakten Bedrohung“ ist nichts anderes, sehr geehrte Damen und Herren, als ein Blankoscheck für militärische Einsätze, die das Ziel verfolgen, eine räumlich und zeitlich unbegrenzte Kontrolle und Sicherung geografischer Räume zu leisten. Die Bundesregierung räumt das ja sogar ein. Sie räumt den globalen Einsatz- und Kontrollanspruch ein. In der Antwort, die die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Januar 2015 gegeben hat, sagt sie - ich zitiere -:

Abstrakte Bedrohungen lassen sich geografisch nicht eindeutig einzelnen Regionen zuordnen. Vielmehr können „abstrakte Bedrohungen“ aufgrund der fortgeschrittenen Globalisierung grundsätzlich in vielen Teilen der Welt bestehen.

Also: Es gibt keine Grenzen, „abstrakte Bedrohung“ ist global, und wir müssen entsprechend reagieren.

Die Argumentation der „abstrakten Bedrohung“ ist auch ein Blankoscheck für eine sich selbst ermächtigende weltweite Ordnungsmacht. Auch das bestätigt die Bundesregierung, und zwar im Antragstext. Hier heißt es, die „Präsenz der Einsatzverbände“ sei ein „präventiver Ordnungsfaktor“. Mit anderen Worten: Zwar sprachlich beschönigt, erklärt die Bundesregierung ihr Bestreben, überall militärisch mitwirken zu wollen - natürlich im Rahmen der NATO, natürlich im Rahmen der Europäischen Union, ganz klar; das sind die Vehikel, mit denen man fährt -, aber letztendlich ist man dabei als eine Großmacht - in der Hoffnung, es zu sein.

Dritte Anmerkung. Sie haben gerade erwähnt, Herr Roth, dass der Bündnisfall zum Thema „Operation Active Endeavour“ wahrscheinlich im Sommer aufgehoben wird. Ich sage Ihnen: Darüber kann man sich freuen; das ist gar keine Frage. Aber dieser Bündnisfall hätte niemals ausgerufen werden dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn was 2001 in New York passiert ist, war ein terroristischer Anschlag und kein militärischer Angriff. Aber statt aus den Fehlern zu lernen, machen Sie 14 Jahre später genau den gleichen Fehler. In dieser Woche reden wir genau darüber. Infolge der Anschläge in Paris reden Sie erneut von einem Angriff und von einem Bündnisfall gemäß Artikel 42 EUV.

Obschon Artikel 5 des NATO-Vertrages vermutlich demnächst aufgehoben wird, kann man nicht davon ausgehen, dass die Mission zum Ende kommt. Da hat man die Rechnung ohne den Wirt, ohne die NATO, gemacht. Im Gegenteil, wir machen weiter. Das heißt dann „maritime Sicherheitsoperation“ im Rahmen der maritimen Strategie der NATO. Was heißt maritime Sicherheit der NATO? Die Antwort steht im Text: Sicherung maritimer Seewege mit allen denkbaren Mitteln außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes. - Das lehnen die Linke und, ich glaube, auch die Mehrheit der Menschen in diesem Land ab.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)