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„Was haben Sie eigentlich aus Afghanistan gelernt?“

Rede von Norman Paech,

Die Bundeswehr zieht in den Kongo. Mit 400 zu 135 Stimmen genehmigte der Deutsche Bundestag am 1. Juni die Entsendung 780 deutscher Soldaten. Die Abgeordneten der LINKEN stimmten geschlossen gegen diesen Einsatz. In der Plenardebatte sprach dazu Prof. Dr. Norman Paech, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundestag hatte schon über viele Auslandseinsätze zu entscheiden. Selten aber gab es so viele unterschiedliche und sich widersprechende Begründungen dafür wie in diesem Fall. Genannt werden die Absicherung der ersten demokratischen Wahlen, die Stabilisierung des Kongo, unsere Verantwortung für Afrika was auch immer das ist , Handlungsfähigkeit der EU-Militärpolitik beweisen, Sicherung der Rohstoffversorgung und der Handelswege bis hin zur Verhinderung gigantischer Migrantenströme nach Europa. Da ist für jeden etwas dabei. Die Wirkung ist aber nicht: je mehr Begründungen, desto überzeugender. Das Gegenteil ist der Fall, wie jetzt auch die jüngste „Stern“-Umfrage wieder gezeigt hat: Der weitaus größte Teil der deutschen Bevölkerung ist gegen diesen Einsatz im Kongo. (Beifall bei der LINKEN - Rainer Arnold (SPD): Das sagen Populisten!) Wir bestreiten nicht die Ernsthaftigkeit all der Gründe, sich in Afrika zu engagieren. Auch ökonomische Interessen sind legitim. Wir sind aber dagegen, dass das Mili¬tär dabei eine Rolle spielen soll. Sie, Herr Schockenhoff, haben den Einsatz des Militärs mit den strategischen Rohstoffen des Kongo begründet. Aus der SPD hören wir dagegen, das sei alles Unsinn, es gehe nicht um Rohstoffe, sondern um die Stabilisierung des demokratischen Prozesses im Kongo. Ich frage Sie: Was haben wir denn eigentlich aus den sich rapide verschlechternden Verhältnissen in Afghanistan und im Irak gelernt? Sehen Sie nicht, dass militärische Gewalt immer nur weitere Gewalt erzeugt und eben nicht Demokratie, allenfalls eine seltsame Abart von Demokratie? (Beifall bei der LINKEN) Man kann mit dem Militär natürlich eine Stadt für die Wahltage und die Wochen danach in einen Ausnahmezustand versetzen. Das kann das Militär leisten. Aber was kommt dann? Bei unserer gestrigen Diskussion im Auswärtigen Ausschuss glaubte kaum noch jemand an die Begrenzung dieses Einsatzes auf vier Monate. Steht uns hier vielleicht ein Einsatz von den Ausmaßen wie dem in Afghanistan ins Haus? Das kann niemand voraussagen. Der Kongo gehört zweifelsohne zu den rohstoffreichsten Regionen der Welt. Da gibt es auch keinen Einwand, wenn Sie fordern ich zitiere Sie, Herr Schockenhoff , dass der Abbau dieser Ressourcen legal und nach marktwirtschaftlichen Aspekten erfolgt. (Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Und der Bevölkerung zugute kommt!) Wenn Sie damit aber den Einsatz des Militärs begründen, fragt man doch nach der Rolle des Militärs bei der Herstellung des freien Marktes. (Beifall bei der LINKEN) Herr Schockenhoff, meinen Sie etwa, dass das Militär auch die Verstaatlichung der Rohstoffe zum Nutzen der kongolesischen Bevölkerung, wie jüngst in Bolivien geschehen, absichern wird? Was kommt dann nach dem Kongo? Bundesverteidigungsminister Jung möchte mithilfe der Bundeswehr die Rohstoffversorgung weltweit sichern. Sie möchten so steht es in Ihrem Weißbuch, was wir bisher leider nur aus der Presse erfah¬ren , dass sich die Bundeswehr wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands besonders den Regionen zuwenden soll, in denen kritische Roh¬stoffe und Energieträger gefördert werden. Da übernehmen Sie das, was schon 1999 in die neue NATO-Strategie geschrieben und später, 2003, im die Europäische Sicherheitsstrategie übernommen worden ist. Liegt es da allzu fern, wenn man den Kongoeinsatz jetzt gleichsam als Pilotprojekt für eine neue Afrikastrategie begreift? Kommt nach zahllosen feierlich ausgeru¬fenen und gescheiterten Entwicklungsdekaden in Afrika nun vielleicht eine Militär¬dekade? So wie der völkerrechtswidrige Krieg gegen Jugoslawien seinerzeit die humanitäre Intervention begründen sollte, ist der Kongoeinsatz nun vielleicht ein Pilotprojekt für eine zukünftige Ressourcenintervention? Man kann das auch anders ausdrücken. Hier zitiere ich die Ihnen ja sehr wohl ge¬sonnene „Süddeutsche Zeitung“, da kritisiert Joachim Käppner: Sie benutzt die Bundeswehr wie eine beliebig einsetzbare Interventionsarmee. Käppner warnt: Das Abenteuer am großen Fluss könnte der Beginn eines neuen militärpolitischen Kapitels werden, nämlich dessen der Beliebigkeit und Bedenkenlosigkeit. Er schließt: ... gleicht der Einsatz im Kongo tatsächlich einer Reise in die Finsternis. Das wollen wir der kongolesischen Bevölkerung ersparen. Das wollen wir den Bundeswehrsoldaten ersparen und das wollen wir uns selbst ersparen. Deswegen sind wir gegen diesen Einsatz. Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN)