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Wahlwiederholung in Berlin ist richtig - aber bitte zielgenau!

Rede von Alexander Ulrich,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahlchaos, Wahldesaster, völliges Versagen, Debakel, Bananenrepublik – das alles war die in den Medien, auch international, veröffentlichte Beurteilung dessen, was bei den beiden Wahlen am 26. September in der Bundeshauptstadt passiert ist. Das Landesverfassungsgericht hat sich damit beschäftigt. Nach dem Wahlprüfungsausschuss kommt heute das Plenum des Deutschen Bundestages im Hinblick auf die Einsprüche zur Bundestagswahl in Berlin zu einer Entscheidung.

Das Ganze hat einen Schaden weit über das Land Berlin hinaus herbeigeführt; die demokratischen Wahlen in Deutschland sind insgesamt in ein schlechtes Licht gerückt worden. Was mich bis heute irritiert, was einen sprachlos macht, ist, dass der damalige Innensenator Geisel immer noch Mitglied der Landesregierung Berlin ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn man von politischer Verantwortung redet – und bei so einem Debakel muss man von politischer Verantwortung reden –, dann muss dieser Senator spätestens nächste Woche, wenn das Landesverfassungsgericht geurteilt hat, zurücktreten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Wenn er das nicht tut, dann muss die Bürgermeisterin die Notbremse ziehen. Es geht nicht, dass man sagt: Er ist jetzt nicht mehr Innensenator. – Ich bin schon ein paar Jahre im Bundestag dabei. Ich habe erlebt, wie ein Minister für Arbeit und Soziales zurückgetreten ist wegen einer politischen Verantwortung aus seiner Zeit als Verteidigungsminister.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Franz Josef Jung! 2009!)

In diesem Sinne, glaube ich, sollte Herr Geisel nächste Woche zurücktreten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der CDU/CSU und des Abg. Christoph Meyer [FDP])

Wahlfehler müssen vor dem Hintergrund der Mandatsrelevanz immer überprüft werden. Wir als Linke sagen deutlich: Ja, es sind grobe Fehler gemacht worden; wenn das nicht zu Wahlwiederholungen führt, was denn dann? – Wir sind aber mit der Beschlussempfehlung nicht ganz einverstanden. Deshalb werden wir uns heute enthalten.

(Stephan Brandner [AfD]: Aber in Wirklichkeit kriegt ihr die Muffe wegen des Direktmandats!)

Wegen der Mandatsrelevanz muss man immer prüfen, ob es zu Veränderungen kommen kann. Wir sind allerdings nicht damit einverstanden, dass man die Erststimme in vielen Wahllokalen hinzugenommen hat, wo die Ergebnisse nicht mehr veränderbar sind. Ich weiß nicht, was das bringen soll. Es erscheint uns willkürlich, dass man bei all den genannten Wahllokalen auch die Erststimme noch einmal abgeben lassen will. Deshalb werden wir uns bei dieser Sache heute enthalten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Weil hier ein Zuruf kam, sage ich: Wahlkreise, wo linke Abgeordnete gewonnen haben, sind doch gar nicht großartig betroffen.

(Stephan Brandner [AfD]: Komisch, sehr, sehr komisch!)

Bei uns passiert doch überhaupt nichts. Dort, wo richtig gewählt worden ist, sind Linke gewählt worden; insoweit war das doch alles in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Wie bei Ihnen in der SED, da war auch immer alles in Ordnung!)

Was, glaube ich, deutlich gemacht werden muss, ist Folgendes: Wir müssen die Wahlprüfung reformieren. Ich glaube, da hat die CDU/CSU einen Punkt: Hier hat zu viel Politik bei der Wahlprüfung mit reingespielt. Wir als Linke schlagen vor, dass man mit der Wahlrechtsreform auch die Wahlprüfung reformiert. Lassen Sie uns ein Wahlprüfungsgericht installieren, das sich zusammensetzt aus Richtern der einzelnen Landesverfassungsgerichte, die diese Sachen dann zu beurteilen haben. Die Ergebnisse können dann auch vor das Bundesverfassungsgericht getragen werden. Das wäre eine Reform, die uns allen, glaube ich, helfen würde. Noch einmal: Wer in der eigenen Sache entscheidet, entscheidet meistens nicht gut.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)