Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,
ich freue mich außerordentlich, dass auch Sie mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen eine Sonnebornregelung einführen wollen, auch wenn Sie diese nicht so nennen und auch wenn es nur eine halbe Sonnebornregelung ist.
Ich will den vorgelegten Gesetzentwurf an den „Krings-Kriterien“ messen, also an den Punkten, die Herr Krings im Rahmen der letzten Debatte am Gesetzentwurf der LINKEN kritisiert hat. Das tut mir jetzt ein wenig leid für die anderen Parteien, aber wir sollen ja hier Rede und Gegenrede halten.
1. Die Fristen zwischen der Entscheidung des Bundeswahlausschusses und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sind bei Ihrem Gesetzentwurf knapper als beim Gesetzentwurf der LINKEN. Entgegen der Gesetzesbegründung betragen sie bei Ihnen nicht 20 Tage sondern im schlechtesten Fall 16 Tage.
Der Bundeswahlausschuss soll spätestens am 79. Tag vor der Wahl eine Entscheidung treffen, die Beschwerde muss spätestens am 4. Tag nach der Bekanntmachung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Das ist dann der 75. Tag vor der Wahl. Da die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht am 59. Tag vor der Wahl erfolgen soll ergibt dies 16 Tage.
DIE LINKE hat in ihrem Gesetzentwurf die Frist binnen der über die Entscheidung des Bundeswahlausschuss vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden ist auf 18 Tage festgesetzt.
Der Bundeswahlausschuss entscheidet am 72. Tag vor der Wahl, die Beschwerde muss spätestens drei Tage nach Bekanntmachung eingereicht sein, also am 69. Tag vor der Wahl. Die Entscheidung muss bis zum 51. Tag vor der Wahl getroffen sein.
2. Ihr Gesetzentwurf enthält keinerlei Formulierung, wie mit einer vorgezogenen Bundestagswahl umzugehen ist. Ich halte eine solche gesonderte Regelung nicht für erforderlich, aber dies war einer der Kritikpunkte von Herrn Krings am Gesetzentwurf der LINKEN. Ich stelle fest, diese Kritik geht dann auch an Ihren eigenen Gesetzentwurf.
3. Sie regeln allein den Rechtsschutz bei Nichtzulassung als Partei. Sie haben keinerlei Vorschläge unterbreitet, wie der gerichtliche Schutz gegen die Nichtzulassung einer Landesliste oder eines Kreiswahlvorschlages aussehen könnte. Da endet der Rechtsschutz bei Ihnen bei den Wahlausschüssen. Damit regeln sie nur die Hälfte des Rechtsweges, sie geben für diesen Fall keinen gerichtlichen Rechtsschutz vor der Wahl, d.h., Sie führen nur die halbe Sonnebornregelung ein. Im Hinblick auf die Kritik von Herrn Krings im Gesetzentwurf der LINKEN könne es angeblich zu divergierender gerichtlicher Entscheidungen kommen, sei darauf verwiesen, dass die Zulassung einer Landesliste oder eines Kreiswahlvorschlages auch jenseits der Parteieigenschaft versagt werden kann. Insoweit besteht keine Gefahr divergierender Entscheidungen.
4. Das demokratietheoretische Problem der Wahlausschüsse, das darin besteht, dass die im Parlament vertretenen Parteien über die potenzielle Konkurrenz entscheiden, lösen sie aus meiner Sicht nicht befriedigend. Durch die Ernennung von Richter_innen sieht es demokratietheoretisch besser aus, ist es aber nicht wirklich. Es bleibt ein Placebo.
5. Sie entscheiden sich, Ihren Vorschlag zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen mit einer Grundgesetzänderung zu flankieren. Wir hielten das nicht für notwendig, finden aber auch nicht, dass dies ein Grund ist, sich dieser Grundgesetzänderung zu verweigern.
6. Sie suggerieren einen subjektiven Rechtsschutz für Bürger_innen einzuführen, die der Ansicht sind, es lägen Rechtsverletzungen im Rahmen des Wahlverfahrens vor. Es ist ja schon interessant, dass Sie hier eine Anregung der LINKEN aufgreifen. Es bleibt aber das grundsätzliche Problem, dass die Bürger_innen über den Wahlprüfungsausschuss und ggf. das Bundesverfassungsgericht auf eine nachträgliche Feststellung der Rechtsverletzung verwiesen werden. Das schadet natürlich nichts, ist eine Verbesserung zum vorherigen Zustand, aber wirklicher Rechtsschutz ist in meinen Augen etwas anderes. Vielleicht sollten wir da noch einmal gemeinsam genauer überlegen, wie der subjektive Rechtsschutz ausgestaltet werden kann.
7. Aus meiner Sicht gibt es noch die eine oder andere Sache zu klären, zu präzisieren und zu verbessern. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Parteieigenschaft bejaht, für welchen Zeitraum soll die Entscheidung Gültigkeit haben? Was folgt, wenn das Bundesverfassungsgericht in der gesetzten Frist nicht entscheidet? Gilt dann, wie ich vorschlagen würde „im Zweifel für die Parteieigenschaft“?
Vielleicht sollten wir das einfach mal gemeinsam klären, denn gemeinsam sind wir klüger.