Zum Hauptinhalt springen

Vollständige Gleichstellung geht nur mit der Änderung der Abgabenordnung, besser wäre es die Ehe zu öffnen

Rede von Barbara Höll,

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

 

Danke, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre schön gewesen, wenn die FDP ein bisschen mehr zum Thema gesagt hätte. Das war eine vertane Chance.

 

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Ich möchte einen kurzen historischen Rückblick wagen. 1935 wurde der § 175 Strafgesetzbuch durch die Nazis verschärft. In der alten Bundesrepublik galt er in dieser Form bis 1969, in der DDR wurde er bereits 1951 nicht mehr angewendet.

 

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und das heißt, dass die DDR Menschenrechte hatte?)

 

Es dauerte noch bis 1994, bis der § 175 Strafgesetzbuch überhaupt aufgehoben wurde. Das ist jetzt 19 Jahre her.

 

In den 90er-Jahren haben wir darüber diskutiert: Welche Aufgabe hat der Staat, haben wir als Parlament, um die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen zu schützen und zu fördern? Als Ergebnis dieser Diskussion hat sich Rot-Grün entschieden, neben der Ehe ein zweites Rechtsinstitut zu begründen: die eingetragene Lebenspartnerschaft. 2001 erfolgte dieser äußerst wichtige und richtige Schritt, um eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen in unserer Gesellschaft zu erreichen; und das ist tatsächlich auch gelungen.

 

Allerdings hatte die eingetragene Lebenspartnerschaft von vornherein einen Konstruktionsfehler: die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte. Bereits 2002 hat allerdings das Bundesverfassungsgericht in einem ersten Urteil klargestellt, dass die Privilegierung eines Rechtsinstituts, der Ehe, mitnichten die Diskriminierung eines anderen vergleichbaren Rechtsinstituts rechtfertigt. Das war bereits vor elf Jahren.

 

Wo stehen wir heute? Wir haben elf Jahre hinter uns, in denen Betroffene mühsam bis vor das Bundesverfassungsgericht, ja selbst vor den Europäischen Gerichtshof ziehen mussten, um ihre Rechte einzuklagen, und sie haben dort recht bekommen.

 

Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist wirklich zum Fremdschämen.

 

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Sie müssen ja nicht rot anlaufen, Sie sind es ja schon! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir mit dem Fremdschämen gleich weitermachen!)

 

Ich erlaube mir, aus Ihrem Koalitionsvertrag zu zitieren. Darin steht, die Koalition will

 

gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehepartnern umsetzen …

 

Das wollten Sie 2009 erreichen.

 

(Dr. Daniel Volk [FDP]: Das haben wir im Erbschaftsteuerrecht gemacht! Das haben wir im Grunderwerbsteuerrecht gemacht!)

 

Die FDP brüstet sich ja immer, sie hätte dafür gesorgt, dass das im Koalitionsvertrag steht. Um der Legendenbildung einen Riegel vorzuschieben: Am Sonntag haben Sie den Vertrag verkündet, am Donnerstag vorher hat das Bundesverfassungsgericht die Urteilsbegründung zur Hinterbliebenenversorgung veröffentlicht.

 

(Michael Kauch [FDP]: Da haben wir aber schon verhandelt!)

 

Darin wurde noch einmal bestätigt, dass Ihnen gar nichts anderes übrig bleiben wird, als wenigstens die steuerliche Gleichstellung zu verabschieden.

 

(Dr. Daniel Volk [FDP]: Die haben wir doch jetzt!)

 

Im Koalitionsvertrag haben Sie sich dazu verpflichtet, aber getan haben Sie nichts. Mitnichten!

 

(Dr. Daniel Volk [FDP]: Erbschaftsteuer! Grunderwerbsteuer! Jetzt Einkommensteuer!)

 

Der heute vorliegende Gesetzentwurf sieht nur ein Minimum an Rechten vor. Jetzt wollen Sie durch eine Generalklausel die Einführung des Ehegattensplittings für eingetragene Lebenspartnerschaften in das Einkommensteuerrecht aufnehmen.

 

Herr Volk, Sie können sich hier noch so aufplustern. Im Ausschuss haben Sie versucht, dem Ministerium eine Antwort auf die Frage zu entlocken, warum unser Vorschlag, die Änderung der Abgabenordnung, ein falscher Weg sei. Vom Ministerium kam aber keine Antwort. Wir können dafür aber jetzt noch sorgen. Wenn wir die Änderung der Abgabenordnung verabschieden, dann können wir eine Gleichstellung im gesamten Steuerrecht erreichen; denn die Abgabenordnung ist de facto das Grundgesetz des Steuerrechtes. Erzählen Sie hier nicht ewig, es müsse alles noch einmal gründlich geprüft werden. Wenn die Generalklausel erst einmal wirksam wird, dann gilt alles, was für Ehegatten gilt, für eingetragene Lebenspartnerschaften gleichermaßen.

 

(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)

 

Das könnten wir jetzt sofort beschließen; dann haben wir wenigstens Gleichheit im Steuerrecht.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP])

 

Etwas ärgert mich bei den Debatten der letzten Wochen wirklich. Herr Geis mag wirklich homophob sein. Irrationale Angst vor Homosexuellen kann man nicht heilen, das ist so.

 

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Das geht ja wohl nicht! Sie stellen einen Kollegen unter Generalverdacht! Das ist ja wohl eine Grenzüberschreitung!)

 

Aber was Sie hier machen, ist Folgendes: Sie instrumentalisieren Homosexuelle, Schwule und Lesben, Intersexuelle, Transgender, Transsexuelle. Sie instrumentalisieren irrationale Ängste ihnen gegenüber, Sie schüren Homosexuellenfeindlichkeit, um einen konservativen Flügel zu beruhigen,

 

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie sollten aufhören mit Ihrer Rede! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Aber sie hat doch recht!)

 

und Sie verstoßen damit gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz.

 

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Wenn Sie das nicht wollen, dann ändern Sie mit uns gemeinsam sofort zu Beginn der nächsten Legislaturperiode Art. 3 des Grundgesetzes, indem Sie ihn um sexuelle Orientierung und sexuelle Identität ergänzen.

 

Danke.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)