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Volle Humität und Menschenwürde bis zum letzten Atemzug

Rede von Monika Knoche,

Sehr geehrte Präsidentin! Werte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen!

Ein würdiges Leben bis zuletzt leben zu können - diesen Wunsch eines jeden Menschen abzusichern ist das, was uns hier im Parlament eint. Dieser Wunsch ist für viele Menschen ein Grund, eine Patientenverfügung abzufassen.

Schon durch das Grundgesetz ist es geboten, das Selbstbestimmungsrecht als Kernbereich der Menschenwürde zu garantieren. Im Zustand der Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit am Ende des Lebens muss sich dieses Menschenrecht bewähren. Doch wir bewegen uns keinesfalls auf patientenrechtlichem Neuland.

Es gibt Sterbebegleitrichtlinien der Bundesärztekammer. Darin wird den Umständen des hoch individuellen Sterbegeschehens Rechnung getragen. Sie beinhalten, dass ein Behandlungsziel geändert werden muss, wenn keine wirklich relevanten Angebote mehr gemacht werden können, sodass der natürliche Sterbeprozess seinen Lauf nehmen kann. So haben Menschen bereits heute die Möglichkeit, lebensverlängernde technische Maßnahmen abzulehnen. Ärzte müssen den erklärten Willen der Patientinnen und Patienten befolgen.

Es gilt aber auch, denen Sicherheit zu geben, die aufgrund des Krankheitsverlaufes keine autonome Willenserklärung mehr abgeben können. Das wollen wir in unserem Entwurf durch folgende Regelungen sicherstellen:

Erstens. Niemand ist oder wird genötigt, eine Patientenverfügung abzufassen.

Zweitens. Eine Patientenverfügung ist für die Behandelnden verbindlich. Sie unterliegt keiner Reichweitenbegrenzung. Das stellt sie nämlich mit den Menschen gleich, die willensäußerungsfähig sind. Das heißt, sie ist unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung gültig und damit wachen Patienten gleichgestellt.

Drittens. Es gelten klare Regeln zum Vorgehen in einer konflikthaften Situation. Bei Unklarheiten, was zu tun ist, muss die Patientenverfügung auf den vorliegenden Entscheidungsfall hin bewertet werden. In Situationen, in denen Ärzte gute oder gar heilende Behandlungsangebote machen können, die in der Vorabverfügung ausgeschlossen wurden, ist der vermeintliche Patientenwille genau zu eruieren. Die konkrete Situation ist also maßgeblich, damit nicht gegen die Lebensinteressen der Patienten entschieden wird. Für den ärztlichen Behandlungsauftrag, der hier gilt, ist Wohl und Würde der Patientinnen und Patienten ausschlaggebend.

Viertens. Das Vormundschaftsgericht ist unserer Vorstellung nach dann einzuschalten, wenn keine Einvernehmlichkeit zwischen den behandelnden Ärzten und den Betreuungspersonen hergestellt werden kann.

(Beifall der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE])

Nur das Patientenwohl und der Wille, nicht aber die Ängste, Interpretationen und Sorgen der Angehörigen dürfen ausschlaggebend sein.

Fünftens. Gegen die Gerichtsentscheidung kann ein Verfahrenspfleger binnen 14 Tagen Einspruch erheben.
Sechstens. Grundsätzlich - so wollen wir es - muss der antizipierte und geäußerte Wille respektiert werden. - Mehr wird nicht geregelt, weil mehr auch nicht erforderlich ist.
Als Initiatorin des Gesetzentwurfes Zöller/Faust/ Däubler-Gmelin möchte ich sagen, dass alle Erleichterungen für den im Sterben liegenden Menschen wie das Stillen von Hunger und Durst, die Behandlung von Schmerzen, die Pflege und die Basisversorgung durch eine Patientenverfügung nicht ausgeschlossen werden können.

Ich halte fest: Der Stünker-Entwurf ist in seiner vorgelegten Form - nicht in den heute gegebenen Interpretationen - aufgrund von drei entscheidenden Punkten für uns nicht akzeptabel.

Erstens. Er wird dem Kernbestand individueller Lebensgestaltung insofern nicht gerecht, als er eben die Befürchtung, dass ein Automatismus eintreten kann, nicht entscheidend entkräften kann.

(Lachen des Abg. Joachim Stünker [SPD])

Zweitens. Er sichert nicht hinreichend, dass der tatsächliche Wille beachtet wird.

Drittens. Ich bin der Meinung, dass Sie klären müssen, ob Sie den Betreuungspersonen nicht doch zu weitreichende Entscheidungsbefugnisse einräumen.
Auch der Bosbach-Entwurf kann wegen seiner Reichweitenbegrenzung nicht überzeugen; denn eine Unterscheidung in der Lebenswertigkeit der individuellen Sterbeverläufe vorzunehmen und ihnen dann unterschiedlich gültige Verfügungen zuteilen zu wollen, ist meines Erachtens nicht akzeptabel.

Unser Gesetzentwurf ist ein Kompromissvorschlag. Er nimmt keine Reichweitenbegrenzung vor und sichert doch, dass der höchstpersönliche Wille ausschlaggebend ist. Volle Humanität und Würde bis zum letzten Atemzug - das ist unser Credo.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)