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Vertrag von Prüm verletzt elementare Menchenrechte.

Rede von Ulla Jelpke,

Deutschland und sechs weitere europäische Staaten haben sich den gegenseitigen Zugriff auf nationale DNA-Datenbanken, Fingerabdrucksammlungen und Kfz-Register zugesichert. Die Innen- und Justizminister von Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und Spanien unterzeichneten einen entsprechenden Vertrag in Prüm in der Eifel. Die Bundesregierung behauptet, dass der Vertrag von Prüm die Aufklärungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaften verbessern werde, ohne den Datenschutz auszuhebeln. Ulla Jelpke in der Debatte zum Gesetz über die Vertiefung der Zusammenarbeit in der grenzübergreifenden Terrorismusbekämpfung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einer irren Geschwindigkeit soll heute der Vertrag von Prüm durch das Parlament gejagt werden. Während die Bevölkerung bis heute kaum ahnt, welche Bedrohungen für Freiheit und Sicherheit sich hinter diesem Vertragswerk verbergen, will die Bundesregierung Fakten schaffen. Union und SPD scheuen offenbar eine breite gesellschaftliche Debatte. Was dem Parlament hier vorliegt, ist ein Vorstoß jener kleinen Gruppe der EU-Staaten, die sich gerne als Kerneuropa bezeichnen lassen. Diese Staaten wollen Maßstäbe für die europäische Integration setzen, eine Integration, die auf Abschreckung und Zwang beruht. Das lehnen wir ab. Ich habe von Bedrohungen für Freiheit und Rechtssicherheit gesprochen. Ich will das auch belegen: Der Vertrag regelt den automatisierten Abgleich von DNA-Profilen, Fingerabdrücken und Fahrzeugregisterdaten. Jede Vertragspartei kann direkt auf die zentralen Datenbanken der anderen Partner zugreifen und bei einem Treffer die dazugehörigen Daten anfordern. Das gilt auch für DNA-Profile zu offenen Spuren. Damit nicht genug: Bei Großereignissen wie etwa den EU-Gipfeln sollen auch ungefragt Daten übermittelt werden können. Es ist also geplant, einen weitgehend unkontrollierten Datenaustausch in Europa einzurichten. Dafür soll schon ausreichen, eine Person im Verdacht zu haben, sie könne die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Das ist schon heute eine Standardformulierung für all das, was den Herrschenden nicht passt. Das sind Gummiparagrafen, die aus demokratischer Sicht nicht hinnehmbar sind. Wir wissen von zahlreichen Fällen der letzten Jahre, in denen Menschen nicht zu EU-Gipfeln oder Treffen der G-8-Staaten reisen durften, weil ihr Name in irgendwelchen Dateien gelandet war. Ihre Einstufung als Gefahr für die Sicherheit und Ordnung hatte keinen Grund - außer dem einen: Die Herrschenden in der EU wollen sich kritische Demonstranten vom Leib halten. Dafür treten sie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Versammlungsrecht mit Füßen. Ein anderer Aspekt des Vertrages ist nicht minder be¬drohlich. Beamte des einen Staates sollen mit Einwilli¬gung eines anderen Staates Exekutivbefugnisse auf fremdem Territorium erhalten. Schon bei gemeinsamen Einsätzen zur Strafverfolgung bringt dies zahlreiche Schwierigkeiten wegen des unterschiedlichen Polizei¬rechts mit sich. Aber was soll sich erst bei Großereignis¬sen abspielen? Von Beamten begangene Straftaten bei¬spielsweise müssen in dem Land verfolgt werden, wo der Einsatzort war. Faktisch bedeutet das, dass der Rechtsschutz ausgehöhlt wird. Praktisch erprobt wurde das Verfahren vor drei Jahren, als 750 deutsche Polizis¬ten beim G-8-Gipfel im schweizerischen Evian einge¬setzt waren und Demonstranten durch die Straßen jag¬ten. (Zuruf von der LINKEN: Pfui! - Clemens Binninger [CDU/CSU]: Bitte? Das stimmt doch gar nicht, was Sie erzählen!) Verstärkte Kooperation ist auch bei Abschiebungen vor¬gesehen. Sammelabschiebungen sollen diese menschen¬feindliche Vorgehensweise kosteneffizienter machen. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, von dem die EU-Ministerriege gerne spricht, entpuppt sich mit diesem Vertragswerk ein weiteres Mal als eine Verhöhnung elementarer Menschenrechte. Innerhalb der EU wird der Repressionsapparat gestärkt, um gegen Kri¬tiker und Verlierer des Kapitalismus vorzugehen. Gegen die Opfer außerhalb der EU wird die Mauer weiter hoch gezogen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)