Soldaten der Bundeswehr dürfen nicht davon abgeschreckt werden, sich mit den rechtlichen Grundlagen und den moralischen Folgen ihres Handelns auseinander zu setzen . Paul Schäfer in der Debatte zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2004 am 20. Januar 2006:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich dem Dank an Herrn Penner für seinen Bericht, aber auch für seine gesamte Arbeit an. Wir diskutieren über den Berichtszeitraum 2004. Der Bericht ist am 15. März 2005 vorgelegt worden; heute schreiben wir den 20. Januar 2006. Ich finde, das geht so nicht. Das zeigt ja immer auch, welches Gewicht man einer solchen Sache beimisst. Ich denke, dass wir künftig - um das neudeutsch zu sagen - einen solchen Bericht zeitnah diskutieren sollten. Das sollten wir gemeinsam durchsetzen. (Beifall bei der LINKEN) Viele Themen wären anzusprechen: die nach wie vor bestehende und zu beseitigende Ungleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten in Ost und West; die überfällige großzügige Entschädigung der von Strahlenexposition betroffenen Menschen, die in der NVA und der Bundeswehr gedient haben; die Bearbeitung der im Bericht konstatierten erheblichen Defizite bei der Umsetzung des Soldatenbeteiligungsgesetzes. Das ist für mich eine Kernfrage. Denn nach meinem Verständnis ist das ein besonders wichtiges Thema für den Wehrbeauftragten, weil er im Auftrag des Parlaments kontrollieren soll, ob gewährleistet ist, dass der Staatsbürger in Uniform auch ein Staatsbürger ohne Wenn und Aber ist. Deshalb sollten wir auf diese Frage unser Augenmerk richten. 134 „Besondere Vorkommnisse“ mit Verdacht auf rechtsextremistischen Hintergrund sind, auch wenn sich nicht alle Fälle bestätigt haben, entschieden zu viel. Der Schatten der Einsatzarmee hat die Bundeswehr in Coesfeld ereilt. Übereifrige Offiziere wollten realitätsnah ausbilden und Wehrpflichtige in Sachen Folter unterweisen. Das ist geahndet worden bzw. wird geahndet. Das ist richtig. Meines Erachtens geht es aber, lieber Herr Robbe, nicht um einen Generalverdacht, sondern es geht um das Spannungsfeld zwischen innerer Führung und Einsatzarmee. Deshalb müssen wir diese Punkte sehr sensibel und sehr sorgsam registrieren, (Beifall bei der LINKEN) um rechtzeitig Verstößen gegen Menschenrechte und Menschenwürde entgegentreten zu können. Ich will auf zwei Fälle zu sprechen kommen, die mehr sagen als langatmige Bilanzen. Im Bericht heißt es ja zu Recht: Befehle dürfen nur zu dienstlichen Zwecken und unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts erteilt werden. Kommen wir zum Fall Pfaff. Der Major Pfaff hat die Mitarbeit an einem Softwareprojekt verweigert, weil er den begründeten Verdacht hegte, die Ergebnisse könnten im Irakkrieg der USA Verwendung finden. Der wackere Major wurde erst psychiatrisiert, dann degradiert und musste vor Gericht ziehen. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihm Recht und hat ausgeführt: Der Vorwurf der Gehorsamsverweigerung trifft nicht, wenn es sich um Unterstützungsleistungen für einen völkerrechtswidrigen Krieg handelt. Ich finde, es wirft kein gutes Licht auf die Bundeswehr, wenn Soldaten Grundrechte erst vor höchsten deutschen Gerichten erstreiten müssen. (Beifall bei der LINKEN) Es ist für die Linke nicht nachvollziehbar, dass sich der Wehrbeauftragte mit diesem Fall - er ereignete sich in den Jahren 2003, 2004 - nicht befasst hat. Es ist laut Gesetz eine Kernaufgabe dieses Amtes, darüber zu wachen, dass Grundrechte der Soldaten nicht verletzt und die Grundsätze der inneren Führung streng beachtet werden. Darin hat der Wehrbeauftragte auch unsere volle Unterstützung. Der zweite Fall: Hauptfeldwebel, weiblich, Afghanistan. Die Betreffende wird gegen ihren Willen nicht als Sanitätssoldatin, sondern als Sicherungssoldatin eingesetzt. Sie hat sich auf die Genfer Abkommen zum humanitären Konfliktrecht berufen und auf ihrer Rolle als Nichtkombattantin bestanden. Die Soldatin wurde mit Disziplinarmaßnahmen belegt. Auch hier müssen jetzt Gerichte bemüht werden. Im Grunde geht es hier darum - anders kann ich die Handlungsweise der Vorgesetzten nicht interpretieren -, dass Soldaten davon abgeschreckt werden sollen, sich mit den rechtlichen Grundlagen und den moralischen Folgen ihres Handelns auseinander zu setzen. Der Wehrbeauftragte hat gesagt, dass er den Fall beobachtet. Beobachten ist gut. Ich finde aber, hier ist unser Engagement für die Aufhebung der Disziplinarstrafe gefragt. (Beifall bei der LINKEN) Lieber Herr Robbe, Sie haben ebenfalls gesagt, dass dieses Amt einen hohen Stellenwert habe. Darin pflichte ich Ihnen ausdrücklich bei und ich kann es auch für die Fraktion Die Linke sagen. Wenn es um die Verteidigung der Prinzipien der inneren Führung und deren konsequente Durchsetzung geht, dann haben Sie unsere volle Unterstützung. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN)
Verstößen gegen Menschenrechte und Menschenwürde entgegentreten
Rede
von
Paul Schäfer,