Zum Hauptinhalt springen

Verbreitung von Legal Highs: Neustart in der Drogenpolitik dringend nötig!

Rede von Frank Tempel,

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der am Dienstag vorgestellte EU-Drogenbericht von 2016 spricht es klar aus: 560 sogenannte neue psychoaktive Substanzen, kurz NPS, werden EU-weit beobachtet. NPS haben verschiedene Namen: Sie werden oftmals online als „Forschungschemikalien“, „Nahrungsergänzungsmittel“ oder „Legal Highs“ verkauft. Allein im Jahr 2015 kamen 100 Stoffe hinzu – mittlerweile sind es im Schnitt jede Woche zwei weitere Substanzen. Eine rasante Entwicklung. Und es gibt kein Anzeichen für einen rückläufigen Trend. Deswegen ist es richtig, dass auch die Politik über die Verbreitung von psychoaktiven Substanzen debattiert und dann die richtigen Schlüsse zieht.

Doch was ist ein geeignetes Mittel, um die Verbreitung von NPS zu stoppen? Hierfür müssen wir uns im Klaren sein, weshalb Konsumentinnen und Konsumenten auf NPS zurückgreifen. Schätzungsweise zwei Drittel der NPS sind synthetische Cannabinoide. Sie sollen in irgendeiner Form den Rausch von Cannabis simulieren. Es sind insbesondere Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis, die auf NPS zurückgreifen, um das Verbot von Cannabisprodukten zu umgehen. Sie fürchten die vielen verschiedenen Formen der Repression, mit denen Cannabiskonsumierende in diesem Land rechnen müssen: Polizeiermittlungen, Hausdurchsuchungen, Führerscheinentzug – und das selbst, wenn sie nicht einmal berauscht am Steuer sitzen.

Neue psychoaktive Substanzen werden geschaffen, um das Drogenverbot zu umgehen. Dies geschieht schon durch eine minimale Veränderung der chemischen Struktur. Für viele Cannabiskonsumierende erscheinen NPS daher als Alternative, wenn sie andernfalls mit Stigmatisierung oder Verfolgung rechnen müssen. Sei es, weil sie schon wegen Cannabisbesitzes vorbestraft sind oder sei es, weil sie im Beruf mit Drogenkontrollen rechnen müssen.

Die Folgen sind verheerend: 39 Menschen starben durch den Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen im Jahr 2015. Das ist ein Anstieg um 56 Prozent zum Vorjahr. Wäre Cannabis mit seinen bekannten Rauschwirkungen und Gefahren legal und in kontrollierter Qualität erhältlich, würden sich wohl nur wenige Menschen für den erwünschten Rausch unbekannten – ja sogar tödlichen – Gesundheitsrisiken aussetzen.

Diese Drogentoten sind eine direkte Folge der Verbotspolitik von Cannabis! Das belegen sowohl die Zahlen zur Verbreitung von NPS als auch die Zahlen der Todesfolgen durch NPS: Diese sind in den Regionen Deutschlands besonders hoch, wo die Verbotspolitik von Cannabis besonders streng verfolgt wird. Das ist zum Beispiel im Bundesland Bayern der Fall – das Herkunftsland unserer Drogenbeauftragten Marlene Mortler von der CSU. In Bayern droht Cannabiskonsumierenden selbst bei minimalen Mengen wie 0,1 Gramm schon die Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft. Andere Bundesländer mit weniger Verfolgungsdruck auf Cannabiskonsumierende haben deutlich weniger Fälle von NPS-Konsum und Todesfolgen. Das sollte auch Frau Mortler zu denken geben!

Anstatt aber die Verbotspolitik zu beenden, weitet die Bundesregierung ihre fehlgeleitete Politik noch aus, indem sie nun schon ganze Stoffgruppen verbieten will. Ich kann ihnen aber jetzt schon prognostizieren, dass wir in den nächsten Jahren nicht weniger Legal Highs haben werden, sondern noch mehr! Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Entwicklung neuer Substanzen und dem Verbot von Substanzen wird in eine neue Runde gehen. Erst wenn sie diese Spirale durchbrechen, wird auch die Entwicklung immer neuer Substanzen zurückgehen.

DIE LINKE kommt ihrer Verantwortung als Oppositionsführerin nach: Dem Stoffgruppenverbot der Bundesregierung setzen wir unseren Antrag entgegen: Unabhängige Expertinnen und Experten sollen demnach das Betäubungsmittelrecht auf seine Geeignetheit überprüfen, um das Ziel der öffentlichen Gesundheit zu fördern. Hierzu brauchen wir die gesamte Bandbreite an Fachkenntnissen aus Rechtswissenschaft, Suchthilfe, Sozialarbeit, Konsumierendenverbänden, Medizin, Kriminologie, Public Health, Erziehungswissenschaft und Polizei.

Und DIE LINKE setzt sich für einen begrenzten und streng regulierten Zugang zu Cannabis für Volljährige ein, damit Cannabiskonsumierende nicht mehr auf gefährliche neue psychoaktive Substanzen zurückgreifen.

Die Verbreitung von NPS gibt der Politik aber noch einige weitere Hausaufgaben auf: Wir müssen endlich Optionen regulierte und nichtkommerzielle Abgabemodelle auch für andere Rauschmittel prüfen und erproben. Dabei müssen wir stets das Ziel im Auge behalten, den organisierten illegalen Drogenhandel auszutrocknen, die Gesundheitsschäden durch Drogenkonsum so weit wie möglich zu minimieren und die Erreichbarkeit von Präventions-, Therapie- und Hilfeangeboten für Konsumierende zu verbessern. Erst durch ein solches Gesamtkonzept kann die Politik die Verbreitung von neuen psychoaktiven Substanzen begegnen.