Entgegen allen wortreichen Bekenntnissen zum Verbraucherschutz wirkt das erste große Gesetzesvorhaben von Minister Seehofer und der Koalitionsfraktionen lustlos und wenig ambitioniert. Dabei ist die Aufgabenstellung übersichtlich: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen so mit Informationsrechten und Informationszugängen ausgestattet werden, dass sie sich im Spannungsfeld von Verbraucher- und Wirtschaftsinteressen souverän behaupten können. Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf leider nicht gerecht. Kirsten Tackmann in der Debatte zum „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation“ der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Bt.-DS: 16/1408.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, es ist mir eine große Ehre, während Ihrer ersten Sitzungsleitung reden zu dürfen. (Beifall bei der LINKEN) Das muss sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Mit dem Verbraucherinformationsgesetz ist es ein bisschen wie bei dem bekannten Sprichwort: Der Berg kreißte und er gebar ein Mäuschen. (Hans-Michael Goldmann (FDP): Da hast du Recht!) Am Ende weiß man nicht, ob man froh darüber sein soll, dass es wenigstens ein Mäuschen geworden ist. Entgegen allen wortreichen Bekenntnissen zum Verbraucherschutz wirkt das erste große Gesetzesvorhaben von Minister Seehofer und den Koalitionsfraktionen lustlos und wenig ambitioniert, (Widerspruch bei der CDU/CSU Julia Klöckner (CDU/CSU): Wir hatten viel Spaß dabei!) vielleicht deshalb, weil das Ergebnis des Kreißens nicht einmal eine Maus werden sollte, sondern nur ein schwaches Mäuschen, das hoffentlich keinen Ärger macht. Dabei ist die Aufgabenstellung übersichtlich: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen so mit Informationsrechten und Informationszugängen ausgestattet werden, dass sie sich im Spannungsfeld von Verbraucher- und Wirtschaftsinteressen souverän behaupten können; denn natürlich müssen Gesetze die Interessen der Schwächeren gegenüber denen der Stärkeren schützen. (Beifall bei der LINKEN) Das ist, meine ich, alles andere als wirtschaftsfeindlich. Im Gegenteil: Dort, wo es ein Vertrauensverhältnis zwischen Wirtschaft und Verbraucherinnen und Verbrauchern gibt, profitieren beide Seiten. Vertrauen lässt sich nur mit Transparenz und Offenheit herstellen. (Hans-Michael Goldmann (FDP): Sehr richtig!) Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf leider nicht gerecht. Meine Fraktion hat elf Kritikpunkte formuliert. Ich werde mich auf die wichtigsten konzentrieren. Erstens. Informationszugänge müssen kostenfrei angeboten werden, damit die Möglichkeit ihrer Nutzung nicht vom sozialen Status abhängig ist. (Beifall bei der LINKEN) Nun hat Herr Minister Seehofer aber erst kürzlich öffentlich erklärt, dass kostendeckende Gebühren erhoben werden sollen. Wir halten das für falsch; denn für die immer größere werdende Zahl sozial benachteiligter Menschen stehen oft schon andere Informationsquellen wie Zeitungen nicht mehr zur Verfügung. Das zusammengekürzte Netz von Verbraucherberatungsstellen wird für sie immer schwerer erreichbar. Wir werden überall dort Widerstand leisten, wo Armut auch noch rechtlos macht. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Wir fordern einen Informationsanspruch gegenüber privaten Unternehmen. Für uns ist es ein fatales Zeichen, dass diese Diskussion unterschwellig von dem Gedanken durchzogen wird, Informationsrechte seien grundsätzlich und vorsätzlich gegen die Wirtschaft gerichtet. Es kann aber doch nicht Anliegen dieses Gesetzes sein, die Wirtschaft vor den Verbrauchern und Verbraucherinnen zu schützen. Was spricht eigentlich gegen diesen Informationsanspruch? Glauben Sie wirklich, dass dann jeder morgens beim Bäcker die Rezeptur seiner Brötchen verlangt? Drittens. Wir wollen die Behörden, entsprechend dem Umweltinformationsgesetz, deutlich stärker in die Pflicht nehmen. Das heißt zum Beispiel, die Behörden sollen zur aktiven Information der Öffentlichkeit sowie zur Hilfe bei der Informationsbeschaffung verpflichtet werden. Dass nur die bereits vorliegenden Informationen offen gelegt werden, reicht uns nicht. Viertens. Wir fordern die Erweiterung des Geltungsbereichs des Verbraucherinformationsgesetzes. Herr Goldmann hat schon darauf hingewiesen. Für uns ist es nicht vermittelbar, dass nur der Bereich der Erzeugnisse im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch geregelt werden soll, (Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Warten Sie doch ab, Frau Kollegin!) aber beispielsweise nicht die berühmten Sicherheitshinweise bei Elektrogeräten. Fünftens. Wir fordern eine deutliche Reduzierung der jetzt sehr umfangreichen und weitgehenden Informationsverbote. Das bedeutet, der Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darf nicht zum Freibrief für Informationsverweigerung werden. (Beifall bei der LINKEN) Sechstens. Wir fordern deutlich kürzere Bearbeitungszeiten. Letztlich wird aber auch ein noch so gutes Verbraucherinformationsgesetz das eigentliche Problem nicht lösen: die strukturellen Ursachen der Lebensmittelskandale. Wo Sozial- und Umweltdumping stattfindet, ist es oft auch mit der Lebensmittelsicherheit nicht weit her. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN)
Verbraucherschutzgesetz der Koalition - ein Flop
Rede
von
Kirsten Tackmann,