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Verbraucherpolitische Zwischenbilanz der Bundesregierung fällt mager aus

Rede von Karin Binder,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Zuschauertribüne!

Ein Schelm, wer Böses denkt bei der Überlegung, warum die Grünen wohl ihren umfangreichen Forderungskatalog zwei Jahre in der Schublade gehalten haben.

(Julia Klöckner (CDU/CSU): Weil er abgearbeitet ist!)

Warum wurde er nicht 2006 behandelt, nachdem er bereits am 15. Februar 2006 eingebracht worden war? Hatten Sie möglicherweise die Befürchtung, dass dann zu oft gefragt worden wären, warum Sie diese Dinge nicht schon in Ihrer Regierungszeit angepackt haben?

(Beifall bei der LINKEN - Julia Klöckner (CDU/CSU): Sehr gut! - Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da müssen Sie nicht uns fragen, da müssen Sie die SPD fragen!)

Es gibt aber glücklicherweise noch einen zweiten Antrag. Ich denke, er ist berechtigt. Wir brauchen dringend einen verbraucherpolitischen Bericht. Ich freue mich, dass er nun im April kommen soll. Von daher können alle wunderbar zustimmen. Da sind wir uns einig: Der Bericht ist fällig; wir brauchen ihn.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Was steht denn drin?)

Ich hoffe doch inständig, dass in diesem Bericht etwas mehr steht als das, was wir in der Regel über die Tagespresse erfahren.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): „Wir sind auf gutem Wege“, steht da drin!)

Herr Seehofer ist auf jeden Fall ein Fachmann, wenn es darum geht, sich marketingmäßig und medienmäßig in Szene zu setzen, und bringt auch gut rüber, welche großen Projekte er auf der Liste stehen hat. Das Problem ist nur: Außer den Überschriften kommt sehr oft lange Zeit erst einmal nichts, und wenn dann etwas kommt, ist das, zumindest aus meiner Sicht, leider sehr unzulänglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Von daher wäre ich an diesem Bericht sehr interessiert, der außer den Überschriften möglichst viele Umsetzungsvorschläge enthalten sollte. Sehr interessieren würde mich dann natürlich auch, zu erfahren, was nach der Umsetzung passiert ist: Wurden die Vorhaben, die jetzt auf Bundesebene in Gang gesetzt wurden, von den Ländern aufgenommen? Und wie wurden sie von den Ländern umgesetzt? Wir können hier nämlich wunderbare Gesetze beschließen; das nützt aber nichts, wenn am Ende niemand zuständig und verantwortlich ist, diese tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Ich denke dabei nur an Themen wie die Lebensmittelkontrolle. Wenn die Länder die entsprechenden Stellen abbauen und letztendlich niemand mehr diese Kontrolle ausüben kann, dann haben wir ein Problem. Dafür gibt es wirklich genügend Beispiele, zum Beispiel Stuttgart, meine Heimatstadt. Dort gibt es circa 11 000 Betriebe, die zu kontrollieren wären. Es gibt aber in Stuttgart maximal, wenn ich es richtig im Kopf habe, 18 Lebensmittelkontrolleure. Die schaffen im Jahr, wenn es hochkommt, die Hälfte dieser Betriebe. Ich denke, das ist deutlich zu wenig. Von daher muss es eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit mit den Ländern geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor mehr als zwei Jahren schon, im Dezember 2005, hat Herr Seehofer in seiner Regierungserklärung einige vollmundige Sätze gesagt. Er sagte:
Ich denke, zwei Leitbilder müssen uns führen:
Zum einen das Leitbild des mündigen Verbrauchers!
Zum zweiten, unsere Skepsis einer totalen Ökonomisierung unserer Gesellschaft gegenüber!
Er führte als Beispiel das Verbraucherinformationsgesetz an:
Das Verbraucherinformationsgesetz wird hierzu ein erstes Beispiel geben: denn damit wollen wir den mündigen Bürger stärken und diejenigen Unternehmen stärken, deren Leistungen und Produkte ohne Beanstandung sind.

(Manfred Zöllmer (SPD): Das ist doch gut!)

Frau Heller, Sie hatten den Bürokratieabbau angesprochen. Ich frage Sie daher: Warum wurde mit dem Verbraucherinformationsgesetz ein solches Bürokratiemonster geschaffen?

(Beifall bei der LINKEN)

Die Menschen müssen jetzt zu einer Behörde gehen, um eine Auskunft zu erhalten, die sie auf direktem Wege von einer Firma doch viel leichter erhalten können.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Problem ist, dass die Firma diese Auskunft nicht erteilen muss. Wenn die Bürger dann zu der Behörde gehen und sich eine Auskunft geben lassen, dann kann es sein, dass sie bis zu 500 Euro Gebühren zahlen müssen.

(Julia Klöckner (CDU/CSU): Das ist doch alles Kappes!)

Die entsprechende Gebührenordnung ist gerade in Arbeit. Es werden also Gebühren fällig, wenn man Rechte nach dem Verbraucherinformationsgesetz in Anspruch nimmt.

(Manfred Zöllmer (SPD): Bürgerverdummung par excellence!)

Gebühren bis zu 500 Euro sind für viele Menschen eine viel zu hohe Hürde, um darüber zu springen. Eine solche Ausgabe können sich viele Menschen nicht leisten. Es kommen möglicherweise noch Kosten für Auslagen hinzu. Aus meiner Sicht ist dieses Gesetz deshalb ein Auskunftsverhinderungsgesetz.

(Beifall bei der LINKEN - Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Das ist eine unabhängige Information und keine Wirtschaftsinformation!)

Wenn Herr Seehofer dem, was er in seiner Antrittsrede damals angesprochen hat, gerecht werden will, dann muss er schnell von dem Schmusekurs mit der Wirtschaft abrücken. Er sollte sich vielmehr an dem orientieren, was für die Verbraucherinnen und Verbraucher, also für die Menschen, wichtig ist, und nicht an dem, was für die Wirtschaft wichtig ist.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Es geht um Arbeitsplätze, Frau Binder!)

Das ist aber wohl seine vorrangige Maßgabe.
Vor diesem Hintergrund sage ich frei nach Bertolt Brecht: „Wer A sagt, muss nicht zwangsläufig B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“

(Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Das sieht man an Ihrer Rede!)

Es wäre also gut, hier entsprechende Korrekturen anzubringen.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN )