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Verbraucher dürfen nicht über die Herkunft der Lebensmittel getäuscht werden

Rede von Karin Binder,

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Informationen über die Herkunft von Lebensmitteln sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher von hoher Bedeutung. Kundinnen und Kunden sind gern bereit, 20 Prozent mehr für Produkte aus regionaler Erzeugung zu zahlen. Oder sie knüpfen bestimmte Erwartungen an Spezialitäten, die aus einer bestimmten Region kommen oder nach traditionellem Rezept hergestellt wurden. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen damit das regionale Handwerk, die Kleinbauern und die Lebensmittelvielfalt stärken und eben nicht den Einheitsbrei der Lebensmittel-Industrie.

Leider kann das Lebensmittelspezialitätengesetz, das jetzt auf Grund einer entsprechenden EU-Verordnung geändert werden soll, diesem Anspruch nicht gerecht werden. Es trägt sogar zur Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei.

Beispiel „Schwarzwälder Schinken“: Trotz der Angabe „Geschützte geografische Angabe“ mit blauem Logo kommt der Schinken in der Regel nicht aus dem Schwarzwald. Nur jede zehnte der Schweinekeulen kommt überhaupt aus Baden-Württemberg. 90 Prozent des Fleisches werden möglichst billig auf dem Weltmarkt zusammengekauft. Das Produkt darf sich dennoch „Schwarzwälder Schinken“ nennen, weil die globalen Schweinekeulen im Ländle geräuchert und verpackt werden.

Dabei soll das Ziel des Gesetzes im Sinne der EU-Vorgaben sein, „fairen Wettbewerb für Landwirte und Erzeuger von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln mit wertsteigernden Merkmalen und Eigenschaften“ sowie „zuverlässige Informationen“ für Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten.

Ich sage: wer Schweinekeulen global zusammenkauft, um sie im Schwarzwald zu räuchern, nützt weder den heimischen Landwirten, noch einem fairen Wettbewerb und damit auch nicht den Verbrauchern. Das ist reine Profitmacherei.

Immerhin gibt es das Logo der „geschützten Ursprungsangabe“, das sich von dem oben genannten Logo lediglich in der Farbe unterscheidet. Ich frage mich, wie viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa diesen Unterschied kennen.

Die geschützte Ursprungsangabe mit dem roten Logo garantiert, dass die Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Erzeugnisses in einem bestimmten geografischen Gebiet nach festgelegten Verfahren erfolgt und sämtliche Produktionsschritte in dem betreffenden Gebiet erfolgen müssen. Das trifft zum Beispiel auf den „Allgäuer Emmentaler“ zu.

Aber nicht auf einen Holsteiner „Tilsiter Käse“, dessen blaues Logo ahnen lässt, dass die Milch sonst wo herkommt, aber nicht von der norddeutschen Küste. Dann gibt es noch die „garantiert traditionelle Spezialität“, ein drittes Logo, auch dies in Blau, jedoch schlichter gestaltet. Hierbei wird lediglich ein traditionelles Rezept gekennzeichnet, beispielsweise für Mozzarella-Käse.

Diese Beispiele zeigen die gesetzlich zulässige Verwirrung. Hinzu kommt die gezielte Werbung mit ähnlich klingenden, aber ungeschützten Begriffen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Nase herum zu führen. Ich frage Sie: wer hat beim Einkaufen die Zeit und die Möglichkeit, sich in die Tiefen einer EU-Verordnung einzulesen, bevor er oder sie ins Käseregal greift.

Neu hinzugekommen ist jetzt der Begriff „Bergerzeugnis“. So etwas kann sinnvoll sein, denn bestimmte Lebensmittel erhalten ihren typischen oder auch besonders intensiven Geschmack eben aus den Bergregionen. Doch auch bei diesen Fleisch- und Milchprodukten müssen Verbraucherinnen und Verbrauchern Abstriche machen: Die meisten Tiere verbringen nur einen Teil ihres Lebens am Berg und auch das Viehfutter stammt meist nur anteilig aus der Bergregion.

Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist diese Änderung des Lebensmittelspezialitätengesetzes kaum ein Gewinn. Auch kleine Landwirtschaftsbetriebe oder das örtliche Lebensmittelhandwerk werden damit nicht wirklich gestärkt.

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei der EU dafür einzusetzen, das irreführende blaue Logo der vermeintlich „geschützten geografischen Angabe“ abzuschaffen. Angaben wie „Regional“ müssen endlich gesetzlich geschützt werden, so wie es bei „Bio“ längst der Fall ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.