Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in den vergangenen Jahren hat sich die Rolle, die krank-hafte Essstörungen oder Essstörungen mit Krankheitsfolge in der öffentlichen Wahrnehmung spielen, sehr zu Gunsten der Betroffenen verändert.
Die Anhörung, die der Familienausschuss zu diesem Thema durchgeführt hat, machte aber auch eines deutlich: Die Ursachen von Essstörungen sind vielfältig und nicht ausschließlich in falschen Vorbildern zu suchen. Maßgeblich ist vielmehr eine komplexe Wechselwirkung zwischen biologischen, psychosozialen und soziokulturellen Faktoren. Aufgrund dieser vielfältigen Ursachen, die zu Magersucht und Essstörungen führen können, bedarf es komplexer Antworten. Einfache Informationskampagnen und Aufklärung allein reichen nicht. Doch gerade hierauf setzt der Antrag der Grünen.
Ihre Forderungen hinsichtlich der Mode-, Werbungs- und Medienindustrie dürften ähnlich geringe Wirkung haben. Hier setzen die Grünen auf Sensibilisierung der Medien und Selbstverpflichtung der Modeunternehmen und Modelagenturen. Doch die Sensibilisierung der Medien wird so lange ohne nennenswerte Konsequenzen bleiben, solange immer noch in der Mode-, Werbe- und Medienindustrie die Möglichkeit besteht, mit Schlankheitswahn und Diätangeboten einen höheren Gewinn zu erzielen. Die Erfahrungen mit Selbstverpflichtungserklärungen zeigen, dass diese nicht ausreichen.
Für Menschen, die von einer Essstörung betroffen sind, müssen wir den Raum und die Atmosphäre schaffen, damit sie sich äußern können. Grundsätzlich ist eine angemessene, qualitativ hochwertige und wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten. Hierfür benötigen wir aber auch mehr verlässliche Daten. Wir wissen bspw. zu wenig darüber, ob sich die Situation von Männern dramatisch verändert hat. Dies wäre wichtig, um geschlechtsspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote weiterentwickeln und ausbauen zu können.
Eine besonders wichtige Bedeutung kommt der Gesundheitsförderung und Prävention zu. Denn die therapeutischen Erfolgsaussichten sind nach wie vor gering. Der größte Teil aller Präventionsprogramme setzt auf Aufklärung und Information. Doch diese haben nur eine geringe gesundheitliche Wirkung. Der Alltag und die Realität der Menschen werden ausgeblendet, die Ursachen nicht angegangen.
Längst überfällig ist es, flächendeckend Angebote zu verankern. Wichtig sind Ansätze, die die Lebens- und Sozialkompetenz fördern. Menschen müssen bereits in jungen Jahren gestärkt werden, damit sie angemessen auf psychische Belastungen und Anforderungen reagieren können. Um die Menschen zu erreichen, benötigen wir Konzepte, die in den Lebenswelten der Menschen ansetzen, also bspw. in Kindertagesstätten und Schulen. Damit diese Ziele erreicht werden, bedarf es eines Präventionsgesetzes. Dies wäre ein langfristiger, dauerhafter und flächendeckender Ansatz. Wir bedauern daher sehr, dass auch in dieser Legislaturperiode das Präventionsgesetz gescheitert ist, obwohl CDU/CSU und SPD dieses in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatten. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Koalitionsfraktionen ja immer nach den Mitteln, die dem Bund bei dieser Frage zur Verfügung stehen, gesucht haben. Das hätte ein wirkungsvolles Gesetz im Sinne der Betroffenen werden können, wenn es denn gewollt gewesen wäre!
Auch an einer anderen Stelle hätten Sie durchaus reagieren können - und dies sogar mit der Rückendeckung des Bundessozialgerichtes. Denn aus der Anhörung konnte man mitnehmen, dass zur Prävention von Essstörungen vor allem gemeinsames und gesundes Essen und eine entsprechende Esskultur sehr wichtig sind. An dieser Stelle hätten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür sorgen können, dass ALLEN Kindern und ALLEN Familien ein gesundes Essen möglich gemacht wird. Unsere Forderung an Sie lautet: Gestalten Sie den Kinderregelsatz endlich so, dass auch die Familien im ALG II Bezug ohne Not für ihre Kinder ein gesundes, abwechselungsreiches und ihren Entwicklungsphasen entsprechendes Essen kaufen bzw. zubereiten können.
Helfen können Sie zum Beispiel auch, indem Sie die Mehrwertsteuer für Schulessen von 19% wieder auf 7% senken! Die Briefe, die im Januar dieses Jahres in die Briefkästen vieler Familien flatterten, brachten dort nicht nur Unmut, weil durch die Maßnahme des Bundesfinanzministers das Familienbudget, das ohnehin schon klamm ist, noch mehr strapaziert wird. Sie brachten auch Unmut, weil damit genau dieses wichtige Essen für Kinder insbesondere für Kinder aus finanziell nicht so gut gestellten Familien immer weniger bezahlbar wird! Den Initiativen, die mit ihren Kampagnen für mehr Bewusstsein für gesundes Ernährungsverhalten werben und ja auch von den Koalitionsfraktionen eingeladen wurden, müssen solche Handlungen wie einen Schlag ins Gesicht empfinden. Warmes, gesundes und regelmäßiges Mittagessen ist besonders für Kinder und Jugendliche und ihre Entwicklung bzw. ihre Gesundheit wichtig - der Weg zu einem kostenlosen Mittagessen sieht anders aus, sehr geehrte Damen und Herren!
Vielen Dank!

Ursachen von Essstörungen sind vielfältig und nicht ausschließlich in falschen Vorbildern zu suchen
Rede
von
Diana Golze,