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Unternehmenstransparenz ist im Mittelstand nicht ohne Risiko

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen die Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP

- die ohnehin schon niedrigen Mindestordnungsgelder für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften drastisch senken, wenn auch nur für Unternehmen, die innerhalb von wenigen Monaten nach Fristablauf doch noch ihre Unterlagen einreichen,

- Verschulden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regeln sowie

- die Rechtsbeschwerde im Ordnungsgeldverfahren einführen.

Wir hatten uns bereits bei der Verabschiedung des Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz am 29. November 2012 dagegen ausgesprochen, dass bei Verstößen gegen die Offenlegungsfrist Ordnungsgelder verhängt werden können, die so niedrig sind, dass sie keinen Anreiz für die Einhaltung des Gesetzes bieten. Bereits in meiner Rede am 29. November 2012 hatte ich darauf hingewiesen, dass Kapitalgesellschaften wegen der beschränkten Haftung bestimmte Publizitätspflichten erfüllen müssen, damit sich Gläubiger ein Bild über die finanzielle Lage machen können. Außerdem haben kleine Kapitalgesellschaften 6 Monate nach dem Geschäftsjahr Zeit, den Jahresabschluss zu erstellen. Der dann vorliegende Jahresabschluss ist innerhalb von weiteren 6 Monaten elektronisch zu hinterlegen. Dieser lange Zeitraum von insgesamt 12 Monaten reicht nach meiner langjährigen Erfahrung vollkommen aus - wenn man diese lästige Aufgabe nicht immer wieder verschieben würde.

Ich hatte aber bereits bei der letzten Beratung im Rahmen des Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz ausgeführt, dass wir für Härtefallregelungen sind, mit denen dem Bundesamt für Justiz mehr Flexibilität ermöglicht werden soll. Das gilt sowohl für die Frage nach dem Verschulden bei Überschreiten von Fristen als auch für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gemeint sind damit die Verlängerung der Frist zur Einreichung des Jahresabschlusses und der Verzicht auf Ordnungsgelder in diesen Fällen. Diesen neuen Regelungen können wir somit zustimmen.

Die Regelungen im Handelsgesetzbuch sind jetzt klarer und transparenter - auch das freut uns.

Die 3. geplante Änderung, nämlich die Einführung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen des allein zuständigen Landgerichts Bonn, sollte nach unserer Meinung für jeden Anhänger eines Rechtsstaats eine Selbstverständlichkeit sein. Bisher entscheidet über Beschwerden gegen Ordnungsgeldentscheidungen des Bundesamtes für Justiz ausschließlich das Landgericht Bonn. Es gibt keine Rechtsmittel gegen dessen Entscheidungen.

In einem sich selbst Rechtsstaat nennenden Land sollte dagegen immer eine Berufung oder Beschwerde gegen ein erstinstanzliches Gerichtsurteil möglich sein. Dass das jetzt endlich nachgeholt wird, damit gegen Willkürentscheidungen vorgegangen werden kann und widersprüchliche Entscheidungen der Kammern des Landgerichts Bonn eine einheitliche Rechtsprechung und damit Rechtsanwendung im Ordnungsgeldentscheidungen des Bundesamts für Justiz endlich geschaffen werden soll, halten wir für dringend geboten.

Aufgrund der seit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, also dem EHUG, im Jahre 2006 verstrichenen Zeit wäre es aus meiner Sicht erforderlich gewesen, auch die zwischenzeitlich mit der Offenlegungspflicht in der Wirtschaftspraxis gemachten Erfahrungen bei dem vorliegenden Gesetzentwurf einzubeziehen.

Dann wäre Ihnen aufgefallen, dass sich in einer Befragung mittelständischer Unternehmen im Jahre 2011 gezeigt hatte, dass durch das EHUG kleine und/oder nichtdiversifizierte Familienunternehmen tendenziell benachteiligt werden. Viele Unternehmen nehmen daher hohe Kosten in Kauf, um die negativen Wirkungen des elektronischen Bundesanzeigers, in dem die Unternehmen ihre Jahresabschlüsse publizieren müssen, zu minimieren. Im Ergebnis wird das EHUG von den mittelständischen Unternehmen auch unter Anerkennung seiner Vorteile mehrheitlich abgelehnt, das heißt also: Obwohl diese Unternehmen nicht nur die Nachteile des EHUG tragen, sondern auch von dessen Vorteilen profitieren. Reformvorschläge der Wirtschaft und mögliche Alternativen zum elektronischen Bundesanzeiger scheinen die Regierungsfraktionen offenkundig nicht einbezogen zu haben. Warum nicht? Die Regierungsparteien, insbesondere die FDP, stellen sich doch sonst immer auf die Seite des Mittelstands und vertreten angeblich dessen Interessen - hier nicht. Aber nicht nur hier nicht, sondern beispielsweise auch nicht bei der Zahlungsverzugsrichtlinie.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.