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Unisex-Tarife und Zusage der Kostenübernahme bei privaten Krankenversicherungen

Rede von Harald Weinberg,

- Die Rede ging zu Protokoll -

Vorweg: Dieses Gesetz enthält eine ganze Reihe von größeren und kleineren Regelungen, von denen viele positiv sind. Deswegen werden wir in der Summe auch zustimmen, wenngleich es auch Regelungen gibt, die wir als problematisch ansehen, dazu später. Ich will daher mit dem Positiven beginnen:

Eine Änderung begrüßen wir besonders. Das ist eine Regelung, die auf den unermüdlichen Bürger Horst Glanzer zurückzuführen ist, der auch in meinem Büro schon viele Arbeitsstunden für sein Anliegen in Anspruch genommen hat. Aber der Mann hat völlig recht. Wenn ein privat Krankenversicherter eine ernste Krankheit hat, deshalb bei seiner Krankenversicherung nachfragt, ob sie die Kosten übernimmt, dann hatte diese bisher die Möglichkeit, ihn an der langen Hand verhungern zu lassen. Sie hat einfach nicht geantwortet. In Folge hat der Arzt oder das Krankenhaus nicht behandelt, weil die Finanzierung nicht gesichert war. Offenbar gab es Versicherungen, die darauf spekuliert haben, dass sich diese schwere Krankheit und die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen aus biologischen Gründen lösen werden. Deshalb ist es völlig richtig, dass nun klargestellt wird, dass die Versicherung in dringenden Fällen unverzüglich, spätestens nach zwei Wochen, sonst spätestens innerhalb vier Wochen zu entscheiden hat. Reagiert sie nicht, dann gilt das als Zustimmung. Schlecht an dieser Änderung ist, dass es eine sogenannte Bagatellgrenze von 2000 Euro gibt. Denn für viele Menschen, auch für viele privat Krankenversicherte sind 1950 Euro keine Bagatelle. Besser wäre es gewesen, hätten Union, SPD, FDP und Grüne unserem Änderungsantrag zum GKV-Änderungsgesetz im Juni 2010 zugestimmt, den wir damals schon auf Horst Glanzers Initiative hin gestellt haben. Dann hätten wir schon seit über zwei Jahren eine bessere Regelung als die, die wir jetzt bekommen, die auch ohne Bagatellgrenze auskommt. Aber im Großen und Ganzen ist es gut, dass die Bundesregierung unser Anliegen nun aufgegriffen hat.

Mit diesem Gesetzentwurf zurrt die Bundesregierung aber auch die Unisex-Tarife bei Versicherungen fest. Und hier beginnt das Schlechte. Die Art und Weise, wie die europäischen Vorgaben, dass keiner aufgrund seines Geschlechts bei Versicherungen benachteiligt werden darf, umgesetzt werden, finde ich empörend.

Erstens hat die Bundesregierung mit dieser Regelung gewartet bis zur letzten Sekunde. Eigentlich gelten diese Regelungen, die auf eine zehn Jahre alte EU-Initiative zurückgehen, schon seit 2007. Die Bundesregierung wollte jedoch weiterhin Frauen in der Krankenversicherung und Männer in der Lebensversicherung benachteiligen. Sie hat uns noch vor zweieinhalb Jahren in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, dass sie an dieser Diskriminierung festhalten will und sich nicht um Grundsätze der Gleichstellung der Geschlechter schert und europäische Richtlinien, die das fordern, ihr letztlich egal sind. Ein dreiviertel Jahr später, im März 2011, hat der Europäische Gerichtshof der Bundesregierung die Leviten gelesen und eine Einführung bis spätestens 21.12.2012 gefordert. Keinen Tag früher wurde diese Regelung in Deutschland umgesetzt.

Zweitens – und das ist noch schlimmer – hat die Bundesregierung eine Minimalumsetzung betrieben. Sie hat die Unisex-Tarife nur für Neukunden durchgesetzt. Das ist besonders desaströs in der privaten Krankenversicherung. Denn die Bundesregierung hat damit die Rahmenbedingungen für die Krankenversicherungskonzerne so gesetzt, dass die Frauen, die schon versichert sind, weiterhin zu viel bezahlen müssen. Nun könnte man denken, dass die Frauen nun von ihrem gesetzlichen Wechselrecht Gebrauch machen können und in Neutarife wechseln. Radio Eriwan lässt grüßen: Im Prinzip können sie schon wechseln, aber dann wird’s noch teurer. Das hat ein Analysehaus gerade vor wenigen Tagen festgestellt: Die neuen Tarife für Frauen sind rund drei Prozent teurer als die alten.

Woran liegt das? Es gibt nun zwei Versicherungs-Welten, die alte ohne, die neue mit Unisex. Die Männer wollen bei der Krankenversicherung in die alte Welt – das verbietet nun dieses Gesetz – und die Frauen wollen aus der alten in die neue Welt – dazu haben sie das gesetzliche Recht. Wenn nun aber viele Frauen von dem Wechselrecht Gebrauch machen würden, gäbe es überdurchschnittlich viele Frauen in der neuen Welt. Dann müssten die Versicherer die Tarife mit den teureren Frauen entsprechend teurer kalkulieren und Sicherheitsmargen einfügen. Denn im Nachhinein dürfen sie richtigerweise aufgrund falscher Kalkulation zu niedrig berechnete Beiträge nicht mehr erhöhen. Die Versicherer wissen aber nicht, wie viele Frauen tatsächlich wechseln würden, wie groß dieser Effekt ist und damit können sie ihre Tarife nicht sauber kalkulieren. Also greifen sie in die Trickkiste, senken den Rechnungszins nur für Neuverträge, was dort das gesamte Beitragsniveau derart erhöht, dass es sich selbst für Frauen der alten Welt nicht mehr lohnt, zu wechseln.

Wechselrecht ausgehöhlt, keine Probleme mehr mit einem Frauenüberhang, Kalkulation geht einfacher, Kunden zahlen drauf. Dieses denkbar schlechteste Szenario für die Einführung der Unisex-Tarife, ist jetzt aber Realität.

Die Bundesregierung hätte Unisex auch für Bestandskunden einführen müssen. Das wäre gerechter und günstiger gewesen. Dann hätten in allen Tarifen Männer und Frauen gleichviel zu zahlen und für Neuversicherte wäre es nicht teurer geworden. Nun aber haben sich die Neutarife für Männer 17 bis 150 Euro im Monat, durchschnittlich 70 Euro verteuert. Und sogar Frauen, die eigentlich profitieren sollten, legen nun durchschnittlich acht Euro drauf.

Für DIE LINKE ist klar: Auch bei Versicherungen muss Geschlechtergerechtigkeit herrschen und die Bundesregierung sollte beginnen, Politik für die Versicherten und nicht für die Versicherungskonzerne zu machen.