Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!
Wir feiern heute eine Art Festakt für die Kultur. Das ist auch gut so und obendrein überfällig. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, am 25. Januar 2006, hat meine Fraktion den Antrag gestellt, das UNESCO-Übereinkommen zur kulturellen Vielfalt schnell zu ratifizieren. Ich erinnere mich noch gut an die 37. Sitzung am 1. Juni vergangenen Jahres, als die gleichen Themen wie heute, die beiden UNESCO-Konventionen, auf der Tagesordnung standen, allerdings spätabends und mitten in der Nacht. Damals habe ich als einzige Rednerin zu diesem Thema zu begründen versucht, warum wir als Linksfraktion die Ratifizierung der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt für so dringlich und notwendig erachten.
Es geht um grundsätzliche Fragen: Ist kulturelle Vielfalt ein bestimmendes Merkmal der Menschheit? Ist sie eine Hauptantriebskraft für die nachhaltige Entwicklung von Gemeinschaften, Völkern und Nationen? Ist sie unabdingbar für Frieden und Sicherheit auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene? Ist sie Teil der Verwirklichung von Menschenrechten und Grundfreiheiten? 148 Staaten, darunter 25 europäische, sagen Ja. Sie vertreten die Überzeugung, dass Kultur mehr ist als nur Ware, dass kulturelles Schaffen mehr ist als eine Dienstleistung und dass wir alle ein Recht auf eigene und vielfältige Kultur haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Eigene und vielfältige Kultur, damit ist im Grunde der Begriff der Leitkultur neu definiert - schade, dass der Kollege Lammert nicht anwesend ist -: Eigenart und Vielfalt in jeder einzelnen Gesellschaft, respektiert von allen anderen Gesellschaften, das ist ein Begriff, mit dem wir eine Kulturdiskussion gut im Inneren führen und uns ebenfalls offen nach außen wenden können.
(Beifall bei der LINKEN)
Das sagt sich leicht; aber - machen wir uns nichts vor - einfach zu verwirklichen ist es nicht. Denn wer sich für das Recht auf eigene Kultur einsetzt, gerät zwangsläufig in Konflikt mit der globalen Kommerzialisierung, die nur Waren, Dienstleistungen und ihre Verwertung kennt, aber keine Werte an sich. Der Kollege Börnsen hat das zu Beginn dieser Debatte, wie ich finde, sehr eindrucksvoll vorgetragen.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es! - Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP], zur CDU/CSU gewandt: Freunde von der Linkspartei! Ich gratuliere!)
Insofern ist der beeindruckende weltweite Einsatz für die kulturelle Vielfalt, dem wir uns nun heute durch die Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens anschließen, auch Teil des globalen Kampfes gegen die Kommerzialisierung aller Dinge und Werte, auch der Kultur.
(Beifall bei der LINKEN)
Da diese Kommerzialisierung ein rasantes Tempo vorlegt, muss die Gegenbewegung ebenso dynamisch sein, um das Gleichgewicht zwischen Handelsfreiheit und Kultur zu erhalten. Dafür gibt es gute Ansätze. So hat die Arbeitsgruppe der Assemblée nationale und des Deutschen Bundestages zum Thema "Kulturelle Vielfalt in Europa" bereits wichtige Impulse für die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen in Deutschland und Frankreich, aber auch der gesamten EU erarbeitet. "Unterschiedliche Wege, gleiche Ziele" heißt ein Motto. Es ist ein Signal für das Zusammengehen zweier Staaten in Europa mit Öffnungsperspektiven für andere.
Wir können also bewegen und wir können gegensteuern, wenn wir uns mit all denen zusammentun, die auf ihre eigenständige und vielfältige Kultur setzen. Das Staatsziel Kultur gehört dazu und die Völkerrechtsbindung beim Weltkulturerbe gleichermaßen.
(Beifall bei der LINKEN)
Insofern wird meine Fraktion dem Gesetzentwurf der Regierung zustimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nun zum UNESCO-Übereinkommen von 1970. Auch diesem Gesetzentwurf der Regierung werden wir zustimmen; dem Ausführungsgesetz dazu allerdings nicht. Wir haben intensiv und permanent daran gearbeitet, dass es zu einer überfraktionellen Zustimmung zu diesem Ausführungsgesetz kommt. Es war uns klar, dass nach 36 Jahren Nichtstun in Sachen Kulturgutschutz in diesem Land gewissermaßen ein undurchsichtiges, wildwüchsiges Rechtsterrain existiert, welches schwierig zu bearbeiten ist.
(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Was für ein Unsinn! Es gab doch europäische und nationale Gesetze!)
Aus Respekt vor der umfangreichen und schwierigen Arbeit, die alle Fraktionen geleistet haben, wäre ein gemeinsames Ergebnis sehr zu begrüßen gewesen. Unsere Sorge galt dabei vor allem dem Schutz archäologischer Kulturgüter. Sie sind noch viel stärker als andere Kulturgüter gefährdet, wie die Raubgrabungen im Irak, in Süditalien und selbst hierzulande, Beispiel Nebra, zeigen.
Uns erscheinen die vorgesehen Regelungen zum Schutz dieser Kulturgüter nicht ausreichend. Deshalb hat meine Fraktion eine Evaluierung der Auswirkungen des Gesetzes vorgeschlagen. Nach Ablauf von drei Jahren soll ein Bericht über seine Auswirkungen, insbesondere mit Blick auf die archäologischen Kulturgüter, vorgelegt werden, um gegebenenfalls Nachbesserungen vorzunehmen. Dieser Bericht soll von einer unabhängigen Kommission erstellt werden, die vom Staatsminister für Kultur einberufen wird.
Aber selbst dieser Vorschlag wurde von den Koalitionsfraktionen abgelehnt. Sie schlagen im neuen Gesetz lediglich vor, dass ein Bericht erstellt wird. Uns geht es aber nicht um einen allgemeinen Bericht, sondern um eine zeitnahe Evaluierung der Auswirkungen dieses Gesetzes mit gleichzeitiger Verpflichtung, gegebenenfalls neue Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber zu entwickeln.
Die Linksfraktion bringt diesen Vorschlag nun in einem eigenen Entschließungsantrag ein. Ich kann Sie nur bitten, sich diesem Antrag anzuschließen. Eine mehrheitliche Zustimmung böte die Möglichkeit, das Ausführungsgesetz in einem entscheidenden Punkt dann doch noch zu verbessern. Von dieser Notwendigkeit sind im Übrigen nicht nur wir überzeugt. Darauf haben mehrere Sachverständige in der öffentlichen Anhörung hingewiesen.
Meine Bitte ist also: Setzen Sie sich einmal darüber hinweg, dass ein guter Antrag, nur weil er von der Linksfraktion kommt, abgelehnt werden muss.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)

UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt
Rede
von
Lukrezia Jochimsen,