Klaus Ernst (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anträge, mit denen wir uns heute befassen, sind höchst erfreulich. Aber ich kann nicht glauben, Herr Lauterbach,
(Jens Spahn (CDU/CSU): Genosse!)
dass ihr die unerwünschten Nebenwirkungen der Praxisgebühr erst nach sechs Jahren bemerkt haben wollt. Da hättet ihr ein wenig schneller sein sollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie alle haben die bundesrepublikanische Bevölkerung eigentlich einem Feldversuch ausgesetzt. Dieser ist gründlich gescheitert. Es ist erfreulich, dass Sie, meine Damen und Herren von der SPD, nun zur Vernunft kommen. Von Ihnen, Herr Spahn, kann man das nicht behaupten.
(Beifall bei der LINKEN Heinz Lanfermann (FDP): Andere Feldversuche haben 40 Jahre gedauert!)
Die Praxisgebühr war von Anfang an grober Unfug. Es war von Anfang an klar, dass es den Menschen an die Geldbörse geht und dass Arztbesuche nicht mehr in dem Maße stattfinden, wie es notwendig wäre. Die Bürokratie wurde aufgebläht, und das ausgerechnet durch Sie, die Sie sich sonst immer gegen Bürokratie wenden. Die Parität bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung wurde weiter ausgehöhlt. Im sogenannten Zuzahlungsbericht des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen heißt es das müsste Ihnen wirklich zu Denken geben, auch Ihnen Herr Spahn, der Sie über alles Mögliche reden, nur nicht über die Patienten zur Praxisgebühr:
(Jens Spahn (CDU/CSU): Haben Sie nicht zugehört?)
Allerdings hat sie insbesondere bei einkommensschwachen Versicherten zu einer Verzögerung oder Vermeidung von subjektiv notwendigen Arztbesuchen beigetragen.
Das sagen nicht wir, sondern die gesetzlichen Krankenkassen. Wenn Sie sich weiterhin weigern, die Praxisgebühr abzuschaffen, sind Sie persönlich für den sich verschlechternden Gesundheitszustand dieser Menschen mit verantwortlich, Herr Spahn.
(Beifall bei der LINKEN - Jens Spahn (CDU/CSU): Das ist hier kein Parteitag!)
Jetzt könnte man sagen: Die FDP macht es richtig. Fünf stellvertretende Ministerpräsidenten der Länder haben sich gegen die Praxisgebühr ausgesprochen. Es waren Heiner Garg, Martin Zeil aus Bayern bei dem hat es mich besonders gewundert, Jörg-Uwe Hahn, Jörg Bode und Herr Morlok. Alle sagen, dass die Praxisgebühr als Steuerungsinstrument versagt hat. Das Zahlungsausfallrisiko liegt bei den Ärzten, die Belastung für die Praxen ist hoch, und es gibt weitere Argumente. Das ist vollkommen richtig.
In der gemeinsamen Erklärung der FDP-Minister heißt es dann ich zitiere:
Die stellvertretenden Ministerpräsidenten der FDP erwarten von der Bundesregierung, dass die Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht länger mit der Erhebung einer Praxisgebühr belastet werden.
Richtig. Da haben sie ausnahmsweise einmal recht. Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn.
(Beifall bei der LINKEN)
Nur, ich sage Ihnen: Wir müssen uns natürlich die Frage stellen, warum wir die Praxisgebühr noch haben, wenn die Oppositionsparteien und auch die FDP gegen die Praxisgebühr sind. Warum existiert sie eigentlich noch?
(Beifall bei der LINKEN)
Wir kommen nicht daran vorbei, dass die Linke im Jahr 2006 die Abschaffung der Praxisgebühr gefordert hat. Wer hat die Abschaffung der Praxisgebühr durch ihr Nein hier im Bundestag verhindert? Das waren die CDU/CSU, die SPD, die FDP und die Grünen. Im Jahr 2011 haben wir erneut einen Versuch unternommen, die Praxisgebühr abzuschaffen. Wer war dagegen? Die CDU/CSU, die SPD, die FDP und die Grünen. Wir waren die Einzigen, die die Abschaffung gefordert haben.
Jetzt wird es spannend. Was treiben Sie von der FDP eigentlich hier? Wir haben im Jahr 2012, vor kurzem, hier einen Vorschlag zur Abschaffung der Praxisgebühr vorgelegt und gesagt: Lasst uns sofort darüber abstimmen. Wie haben Sie sich verhalten? Bei der Abstimmung darüber hat die CDU/CSU natürlich mit Nein gestimmt, auch die SPD hat mit Nein gestimmt im Jahr 2012, wohlgemerkt auch die FDP hat mit Nein gestimmt. Jetzt machen Sie den doppelten Rittberger und stellen sich an die Spitze der Bewegung. Das glaubt Ihnen von der FDP doch kein Schwein mehr in diesem Land, um das einmal deutlich zu sagen.
(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn (CDU/CSU): Das sind ja Ausdrücke hier!)
Die Grünen haben schon richtigerweise mit uns gestimmt.
Die Gründe sind spannend. Die SPD hat ihre Ablehnung immer damit begründet, die Abschaffung sei nicht finanzierbar. Die Grünen sagten früher, es fehle an Belegen, die eine Abschaffung rechtfertigten. Die FDP argumentierte, es fehle an Alternativen, wie die Anzahl der Arztbesuche begrenzt werden könne. Das waren Ihre Argumente. Es hat sechs Jahre gedauert, von 2006 bis 2012, bis einige zur Vernunft kamen einige. Die CDU/CSU ist noch weit von der Vernunft entfernt. Herr Spahn hat das gerade unter Beweis gestellt.
Aber was Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FDP, zurzeit treiben, ist der Hammer. Weshalb? Weil wir heute über einen Antrag der Linken entscheiden und die Praxisgebühr abschaffen könnten, wenn Sie nicht im Ausschuss die Behandlung unseres Antrags verhindert hätten, sodass er heute nicht zur Abstimmung steht.
(Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Was steht da noch drin außer der Praxisgebühr?)
Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Elke Ferner (SPD))
Ich kann Ihnen nur sagen: Was Sie treiben, schlägt dem Fass wirklich den Boden aus.
(Heinz Lanfermann (FDP): Der Antrag geht doch zur Bürgerversicherung und nicht zur Praxisgebühr!)
Sie rennen durch die Gegend, Ihre Ministerpräsidenten machen schöne Erklärungen, und wenn es zum Schwur kommt, dann machen Sie den schlanken Hasen. Sie laufen doch schneller rückwärts, als Sie nach vorne denken können. Das ist Ihr Problem, wenn es konkret wird.
(Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann (FDP): Ihr Antrag wird doch zur Bürgerversicherung! Lesen Sie doch die Überschrift!)
Deshalb sage ich Ihnen: Was wir brauchen, ist eine Gesundheitspolitik im Interesse der Bürger. Sie führen die Leute hinter die Fichte. Sie tun so, als ob Sie etwas ändern wollten, aber in Wirklichkeit verhindern Sie die Abschaffung der Praxisgebühr. Das ist die Wahrheit. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
(Beifall bei der LINKEN Jens Spahn (CDU/CSU): Sozialistische Begeisterung!)