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Unabhängige Justiz stärkt den Rechtsstaat

Rede von Jörn Wunderlich,

176. Sitzung des Deutschen Bundestages am 09. Juni 2016 

ZP 4, Beratung des Antrages der Grünen zur Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte, Drs. 18/7548

Jörn Wunderlich (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorgelegten Antrag streben die Grünen eine Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte an. Es ist schon gesagt worden: Oberste Bundesgerichte sind der Bundesgerichtshof, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof. Dass diese Gerichte für das Zusammenleben in der Gesellschaft und auch für die Rechtsfortbildung von besonderer Bedeutung sind, bestreitet wohl niemand. Es ist daher zu begrüßen, wenn die Debatte aufgemacht wird, wie die Wahl dieser Richterinnen und Richter reformiert werden kann. Wir teilen die Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen, dass eine Balance zwischen Bestenauswahl und demokratischer Legitimation gewahrt werden muss. Wenn wir nur die Bestenauswahl hätten, hätten wir ja nur noch Richterinnen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aus unserer Sicht ist im Hinblick auf Demokratie für alle noch erheblicher Spielraum. Das fängt damit an - in dem Antrag wird zu Recht darauf hingewiesen -, dass nicht jede oder jeder zur Richterin oder zum Richter gewählt werden kann, da eine Eigenbewerbung ausgeschlossen ist. Es geht weiter mit der ebenfalls zu Recht angesprochenen Intransparenz des Verfahrens, also welche Kriterien für die Aufnahme in die Vorschlagsliste gelten. Zu Recht wird in dem Antrag auch darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache, dass Frauen auf den Vorschlagslisten deutlich unterrepräsentiert sind, dazu führt, dass Frauen als Richterinnen an den obersten Bundesgerichten einen Anteil von unter 30 Prozent ausmachen; dies wurde schon gesagt.

Die von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagenen acht Punkte können wir als Linke im Wesentlichen mittragen. Die Idee von verpflichtenden Ausschreibungen oder mindestens Interessenbekundungsverfahren ist der richtige Weg, um mehr Transparenz in die Verfahren zu bringen. Ob nun zwingend die Landesministerien oder eine durch sie eingesetzte Kommission die Entscheidungen über die Vorschlagslisten treffen müssen, ist eine Frage, über die man im Detail noch sprechen kann.

                                     (Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Wir können uns aber durchaus vorstellen, die Landesparlamente hier intensiver einzubeziehen. Die Festlegung verbindlicher Grundanforderungen im Rahmen eines Anforderungsprofils sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Eine quotierte Vorschlagsliste finden wir aus vorgenannten Gründen sehr gut. Gleiches gilt für ein einheitliches Bewertungssystem.

Bei dem Gerichtsstand der Konkurrentenklagen ist nicht ganz klar, ob sich dieser auch auf die erste Auswahlphase bezieht; denn nach der Logik des Antrags müssten, da die Landesministerien beteiligt sind, auch in dieser Phase schon Konkurrentenklagen möglich sein, was nach meiner Überzeugung nicht gerade zu einer Beschleunigung der Auswahlverfahren führen dürfte. Deshalb würden wir als Linke das von den Grünen aufgeworfene Problem der sogenannten Konkurrentenklagen - gegenwärtig laufen sieben; auch das ist schon gesagt worden - gern von der Debatte über die Wahl der Richter trennen. Es gibt auch bei der Linken Debatten darüber, inwiefern im Hinblick auf eine Wahlentscheidung eine Konkurrentenklage ein angemessenes Mittel ist; denn es handelt sich bei der Wahl eben nicht ausschließlich um eine Bestenauslese - das habe ich ja schon gesagt -, bei der eine Konkurrentenklage ein selbstverständliches Mittel ist, sondern eben um eine Mischung aus Bestenauslese und Wahlentscheidung.

Wir würden allerdings noch einen Vorschlag in die Debatte werfen wollen, der aus unserer Sicht zumindest diskussionswürdig ist. Wir haben hier im Hohen Haus schon darüber debattiert, ob die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts vom Richterwahlausschuss und dem Bundesrat auf das Plenum des Bundestages übertragen werden sollte. Ich meine, mich zu erinnern, dass es dazu vor Jahren schon einmal einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf gab.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben das schon beschlossen! An dem Tag waren Sie nicht da!)

- Ja? Ach so. Das ist ja schön. Das ist ja noch besser. Großartig!

                                    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Man kann ja nicht immer da sein.

                                            (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Aus Sicht der Linken könnte man überlegen - das ist ja eine schöne Steilvorlage -, ob man das nicht auch auf die Richter der obersten Bundesgerichte übertragen kann, um damit die Legitimation der Richterinnen und Richter auf eine breitere Grundlage zu stellen.

                                               (Beifall bei der LINKEN)

Ob der Richterwahlausschuss dem Plenum einen Vorschlag unterbreitet oder ein weiter gehendes Vorschlagsrecht gegeben sein soll, darüber kann man dann streiten.

Zum Schluss will ich darauf hinweisen, dass wir nicht bei einer Reform der Wahl der Richter der obersten Bundesgerichte stehen bleiben dürfen. Wir sollten diese Debatte nutzen, um die Selbstverwaltung der Justiz wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Die Linke ist dazu bereit; sie wird sich gern in die entsprechenden Debatten einbringen; denn nur eine unabhängige Justiz - da schließe ich die Staatsanwaltschaften ausdrücklich ein - stärkt den Rechtsstaat.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)