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Umweltschadensgesetz läuft ins Leere

Rede von Lutz Heilmann,

Das Umweltschadensgesetz führt eine Haftung für Umweltschäden ein, die in Ausübung von beruflichen Tätigkeiten entstehen. Durch den Verweis auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz kann die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden allerdings nur sehr eingeschränkt eingeklagt werden. Durch die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen wurde der ursprünglich sehr zu begrüßende Entwurf deutlich abgeschwächt. Das betrifft besonders den Artenschutz und das großzügige Ausnehmen der Landwirtschaft.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Meierhofer von der FDP, ich glaube, es ist nicht ausreichend, wenn sich die Wirtschaft "ein bisserl mehr" um die Umwelt kümmert. Gestern hat der EU-Gipfel stattgefunden, und ein Topthema war der Klimawandel. Ich denke, "ein bisserl mehr" ist zu wenig, es muss erheblich mehr getan werden.

Wer haftet für Umweltschäden? - Für Umweltschäden haften momentan nach dem Umwelthaftungsgesetz Betreiber von Anlagen. Umweltschäden, die durch berufliche Tätigkeiten verursacht werden, etwa von Landwirten, werden bisher keiner Haftungsregelung unterworfen. Die Kosten dafür trägt die Allgemeinheit, das heißt der Steuerzahler. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll diese Gesetzeslücke nun geschlossen werden.

Wir begrüßen es ausdrücklich - der Herr Minister hat es angesprochen; man kann fast schon sagen, es ist ein einmaliger Fall -, dass hier eine EU-Richtlinie von der Bundesrepublik auch einmal pünktlich umgesetzt werden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Doch wie so häufig liegt natürlich auch hier der Teufel im Detail. Schauen wir uns ganz einfach einmal den Gesetzentwurf genauer an. Bezeichnend dafür ist nämlich zum Beispiel der Verweis auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz. Nach diesem können Verbände wie Greenpeace in Umweltangelegenheiten nur dann klagen, wenn das Drittschutzerfordernis erfüllt ist. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz schränkt damit die Mitwirkungsmöglichkeiten sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch der Umweltverbände unzulässig ein. Durch den Verweis des Umweltschadengesetzes auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz wird auch die Klagemöglichkeit von Umweltverbänden in Fällen, für die das Umweltschadensgesetz gilt, erheblich eingeschränkt.

Wir erachten das als eine nicht hinnehmbare Einschränkung. Wir sagen, das Umweltrechtsbehelfsgesetz verstößt gegen die Århus-Konvention und damit auch gegen die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie der EU. Bei der EU-Kommission ist diesbezüglich - wer sich auskennt, weiß es - bereits eine Beschwerde anhängig. Letztlich wird natürlich wieder der EuGH darüber entscheiden.

Weiterhin unklar ist, was unter "Berücksichtigung" nach § 9 Abs. 1 Satz 3 zu verstehen ist. Wir befürchten, dass dies eine vollständige Freistellung beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch die Landwirtschaft zur Folge hat. Das kann weder im Sinne des Gesetzes noch richtlinienkonform sein.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Durch die Änderungsanträge, die wir am Mittwoch im Umweltausschuss beraten haben, wird das Gesetz leider nicht besser, sondern erheblich schlechter. Sie schränken mit dem neuen Verweis auf § 21 a Abs. 2 und 3 des Bundesnaturschutzgesetzes den Anwendungsbereich des Gesetzes im Naturschutz erheblich ein. Das Gesetz gilt somit nur noch bei Schädigungen an EU-rechtlich geschützten Arten und Lebensräumen. Zudem schaffen Sie mit der Neufassung des § 21 a Abs. 5 großzügige Ausnahmen und erhebliche Interpretationsspielräume für die Beurteilung von Schäden an Arten und Lebensräumen. Der Natur tun Sie damit keinen Gefallen.

Aus beruflichen Tätigkeiten in § 14 Abs. 1 machen Sie bestimmte Tätigkeiten. Dies bedeutet eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereiches. Im Übrigen spricht die EU-Richtlinie ausdrücklich von beruflichen Tätigkeiten. Wenn Sie davon reden, dass Sie Rechtseinheit und einheitliche Rechtsbegriffe auf europäischer Ebene und auf nationaler Ebene haben wollen - Kollege Jung, im Umweltausschuss haben Sie das gesagt -, warum weichen Sie jetzt hier davon ab? Das ist für mich vollkommen unverständlich und nicht einsehbar.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Noch ein paar Gedanken zur Deckungsvorsorge. Sehr viele oder fast alle von uns haben ein Auto. Wenn man sich beim Händler ein Auto gekauft hat, sucht man sich als nächstes eine Versicherung. Von der Versicherung holt man sich eine Doppelkarte und geht damit zur Zulassungsstelle. Erst dann wird das Auto zugelassen. Das heißt, jedes Auto braucht eine Haftpflichtversicherung. Die sogenannte Deckungsvorsorge ist damit vergleichbar. Im Übrigen gibt es auch für Rechtsanwälte - Kollege Jung, Sie sind, soweit ich weiß, Rechtsanwalt - Berufshaftpflichtversicherungen. Warum nehmen Sie diese Verpflichtung heraus? Hier hätte man Vorreiter sein und eine bessere Lösung anbieten können. Das sind Beispiele für Regelungen im Gesetzentwurf, die wir für kritikwürdig erachten.

Ich fasse zusammen: Das Gesetz wird zwar fristgemäß erlassen, es bleibt aber hinter seinem Anspruch zurück. Eine gerechte Schadenshaftung für Umweltschäden durch Handlungen wird damit nicht erreicht.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Der Anwendungsbereich wird marginal sein.
Zwei Sätze habe ich noch, Frau Präsidentin.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das ist zuviel.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Das Gesetz enthält Bestimmungen, die europarechtlich problematisch sind. Deshalb können wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen und werden uns enthalten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der LINKEN)