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Umweltgesetzbuch ist erheblicher Rückschritt für den Naturschutz

Rede von Lutz Heilmann,

Der Naturschutzpolitische Sprecher Lutz Heilmann äußerte große Besorgnis über den vorliegenden Entwurf des neuen Naturschutzrechts. Dies soll Teil des Umweltgesetzbuches werden, das wegen erheblicher Nachforderungen aus dem Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium unter großem Vorbehalt stehe. Beide CSU-Minister blockieren den Umwelt- und Naturschutz derzeit an allen Fronten. Konkret bedroht ist die bewährte Eingriffsregelung. Zudem blieben national geschützte Arten "Freiwild".

Sehr geehrte/r Herr/Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Durchhalten ist ihre Parole - meine Damen und Herrn von der Koalition. In zentralen Fragen bekommen Sie nichts auf die Reihe. Das Umweltgesetzbuch droht wie der zweite Teil Ihres so genannten Klimapakets zu floppen.

Die von Ihnen eingeleitete Anhörung der Verbände und der Länder ist nichts als Augenwischerei. Hier wollen Sie ein Vorankommen vortäuschen, das es gar nicht gibt. Fakt ist, dass zentrale Elemente des Umweltgesetzbuches innerhalb der Regierung immer noch nicht abgestimmt sind. Es ist schon ein einmaliger Vorgang, dass die Länder sich nun aussuchen können, wie sie es denn gerne hätten. Das ist "Wünsch dir was Politik".

Die FDP - die sich auch viel wünscht - bestätigt mit ihrem Antrag wieder einmal, dass sie der parlamentarische Arm der Wirtschaftsverbände ist.

Ich werde mich aber jetzt nicht mit der Vorhabensgenehmigung auseinandersetzen, sondern mit dem ebenso umstrittenen Naturschutzrecht im Umweltgesetzbuch.

Hier ist es vor allem das Landwirtschaftsministerium, das blockiert wo es nur geht. Herr Seehofer scheint alles daran zu setzen, den Naturschutz so weit auszuhöhlen, dass die Landwirte im wahrsten Sinne freie Bahn haben. Während sich die Bundeskanzlerin auf der Bonner Biodiversitätskonferenz als überzeugte Ökologin präsentierte und sogar ein paar Millionen locker machte, setzt ihr Minister und Parteikollege Seehofer alles daran, den Naturschutz in Deutschland zu beerdigen.

Vielleicht ist das nur bayerisches Walkampfgetöse. Der zweite große Blockierer im Natur- und Umweltschutz ist wohl nicht zufällig der andere CSU-Minister. Und im Bundesrat blockiert Bayern noch ungenierter. Ich hoffe, dass die bayerischen Wählerinnen und Wähler der CSU den fälligen Denkzettel verpassen. Diese bayerische Landesregierung gehört endlich abgewählt.

Scheinbar hatten die Blockierer bereits Erfolg. Der vorliegende Entwurf bedeutet eine erhebliche Abschwächung des Naturschutzes.

Dabei ist die Wunschliste aus dem Hause Seehofer noch lang. Die noch gar nicht abschließend geklärt ist. Das betrifft die Eingriffsregelung. Und das betrifft den Artenschutz.

Beginnen möchte ich aber mit § 1. Da werden üblicherweise die Ziele des Gesetzes festgelegt. Wenigstens das müsste gerade noch hinzukriegen sein - denke ich mir.

Aber bereits hier zeigt sich, wie wenig Ihnen der Naturschutz wert ist. Die Ziele werden aufgeführt - das ist in Ordnung. Auch wenn da ruhig ein wenig mehr drin stehen dürfte.

Sie aber wollen dazu die Abwägung dieser Ziele mit anderen Interessen der Landwirtschaft, des Verkehrs, der Industrie usw. ebenfalls als Ziel festlegen. Die Abwägung ist das Ziel.
Das ist nicht nur juristisch Quatsch - der Weg zum Erreichen der Ziele wird üblicherweise in den folgenden §§ konkretisiert.
Das ist auch im höchsten Maße gefährlich für den Naturschutz. Wenn die Abwägung mit anderen Interessen ein gleichberechtigtes Ziel ist, dann schwindet die Bedeutung der eigentlichen Ziele. Sie stehen dann von vorneherein unter dem Damoklesschwert der Abwägung. Alle weiteren Paragraphen, die das Erreichen der Ziele festlegen, stehen unter Vorbehalt. Sie sind praktisch nicht mehr viel Wert.

Das bedeutet eine massive Schwächung des Naturschutzes. Das ist Ihr Offenbarungseid im Naturschutz!

Frau Merkel: Ihre in Bonn zugesagten 500 Millionen sind für mich eine moderne Form des Ablasshandels. Sie beruhigen ihr schlechtes Gewissen - machen aber munter weiter wie bisher - mit ihrer die Natur zerstörenden Politik.

Nun zur Eingriffsregelung:
Nach der bisherigen Eingriffsregelung müssen Schädigungen an der Tier- und Pflanzenwelt real, das heißt tatsächlich, ausgeglichen werden. Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer möchte dies gerne abschaffen. Statt eines realen Ausgleichs soll ein moderner Ablasshandel entstehen. Natur kaputt, Geld gezahlt - alles paletti. So geht das aber eben nicht, denn irgendwann ist von der Natur nicht mehr viel übrig. Da nützt Geld dann auch nicht mehr weiter.
Damit ist der Kern der bewährten Eingriffs- und Ausgleichsregelung bedroht. Das Landwirtschaftsministerium gibt ihren Lobbyverbänden freies Geleit beim Zerstören der Natur - trotz der gerade zu Ende gegangenen UN-Biodiversitätskonferenz in Bonn.

Nun zur SPD.
Ich möchte an die Diskussionen um die Kleine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes vom letzten Jahr erinnern. Unsere Kritik damals war, dass es nur für die nach dem europäischen Recht geschützten Arten ein hohes Schutzniveau gibt. Die national geschützten Arten werden zum "Freiwild". Die SPD hat damals gesagt, die Kleine Novelle sei dafür nicht der richtige Ort, weil damit nur das Urteil des Europäischen Gerichtshofes umgesetzt werde. Das solle aber mit dem Umweltgesetzbuch nachgeholt werden.

Wir haben nun einmal genau nachgeschaut im Referentenentwurf.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die SPD Wort gehalten hat. Durch einen einzigen zusätzlichen Halbsatz sind nun auch national geschützte Arten vor der Vernichtung durch Land- und Forstwirtschaft einigermaßen gefeit.

Wenn man aber genau liest, dann wird nur ein ganz kleiner Teil dieser Arten geschützt. Sie machen eine Zweiklassengesellschaft bei national geschützten Arten auf.

Zwar wird wie bisher zwischen besonders und streng geschützten Arten unterschieden. So weit, so gut. Innerhalb der besonders geschützten Arten soll es nun aber besonderere und weniger besondere geben. Die bisherige Definition lautete, dass besonders geschützte Arten solche heimischen Arten seien, die im Inland durch menschlichen Zugriff in ihrem Bestand gefährdet sind. Nun gibt es einen zweiten exklusiven Club der Arten. Der umfasst nur die Arten, für die Deutschland in hohem Maße verantwortlich ist - wer auch immer das definieren soll. Nur für die soll es Einschränkungen für Land-, Forst und Fischereinwirtschaft geben.

Diese Arten umfassen aber nur ca. 10% der derzeit besonders geschützten Arten. Die anderen 90% können von der Landwirtschaft beliebig vernichtet werden.

Denn die andere einschränkende Bedingung, die gute fachliche Praxis der Landwirtschaft, ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Die wird noch schlechter, als sie bisher ohnehin schon war. 90% der national geschützten Arten sollen der Landwirtschaft also ausgeliefert werden. Die Artenvernichtung wird also fast ungehindert weitergehen.

Und das Schlimme ist, diese Definition der besonders geschützten Arten ist sogar noch umstritten. Da der vorliegende Entwurf die Fassung enthält, die den Wünschen des BMU entspricht, kann sich das noch weiter verschlechtern. Dann bleibt, liebe SPD, von Ihrer Ankündigung vielleicht gar nichts mehr übrig.

Ich fasse zusammen - mit diesem Gesetz schaden sie dem Naturschutz.
Die Eingriffsregelung steht vor dem Aus, die nationalen Arten bleiben Freiwild - und das ganze Gesetz steht unter Vorbehalt.

So sieht kein fortschrittlicher Naturschutz aus. Das ist ein klarer Rückschritt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

- die Rede wurde vereinbarungsgemäß zu Protokoll gegeben -