Mit dem neuen Zollfahndungsdienstgesetz werden entgegen den Vorgaben des Verfassungsgerichts lediglich die bisherigen verfassungswidrigen Regelungen durch andere ebenfalls verfassungswidrige Reglungen ersetzt. Zum Beispiel wird u.a. wiederum die Unverletzlichkeit des Kernbereichs privater Lebenshaltung nicht beachtet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin/sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,für diesen Gesetzentwurf kann es, wie schon mein Kollege Neskovic am 22.03.2007 festgestellt hat, keinen Beifall geben.
Im Zollfahndungsdienstgesetz wurden zunächst Regelungen geschaffen, welche aufgrund offener Fragen zur Notwendigkeit des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung befristet wurden, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, Regelungen zu schaffen, welche den Vorgaben der Verfassung entsprechen.
Nach diversen Beratungen, Anhörungen von Sachverständigen und Berichterstattergesprächen stellt sich das Ergebnis mehr als dürftig dar. Die bisherigen verfassungswidrigen Regelungen sollen durch andere ebenfalls verfassungswidrige Normen ersetzt werden.
Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden, wie schon die zuvor gesetzte Frist, offensichtlich ignoriert, weil sie nicht in das überzogene sicherheitspolitische Konzept der Regierung passen.
Es ist schon äußerst bedenklich, dass nicht größtmöglicher Schutz von Freiheitsrechten im Blick der Gesetzgebung steht, sondern nur noch geschaut wird, was gerade noch als verfassungsgemäß durchgehen könnte. Und selbst dies misslingt der Koalition.
Der gläserne Bürger wird zum Staatsziel erhoben ohne Rücksicht auf die unantastbare Menschenwürde.
Dabei sind offenbar auch die Meinungen der Sachverständigen der Koalition ziemlich egal. Die angesprochenen Verfassungswidrigkeiten, die Kritik an der bloßen Scheinwahrung von Rechtsstaatlichkeit scheinen nicht zu beeindrucken- wohl in der Hoffnung, dass auch das Bundesverfassungsgericht einen schlechten Tag haben kann und dies übersieht. Ein solcher Tag würde allerdings in die Annalen des hundertjährigen Kalenders einfließen, denn so schlecht kann kein Tag sein.
Die Vorgaben, welche das Bundesverfassungsgericht nicht nur in seinem Urteil vom 03.März 2004 zur Unverletzlichkeit des Kernbereichs privater Lebensgestaltung als Ausdruck der Menschenwürde darstellte, werden in diesem Gesetzentwurf nicht beachtet.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass es beim Schutz des absoluten Kernbereichs des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung keine Abwägung von Interessen geben darf, aufgrund derer dann ein Eingriff möglich wäre. Eine solche Abwägung ist und bleibt verfassungswidrig.
Hier bei der Datenerhebung zur Eigensicherung in Wohnungen eine Abwägung vorzunehmen, ist vielleicht aus Sicht der Fahndungsbehörden nachvollziehbar, bleibt aber gleichwohl eine verfassungswidrige Verletzung des Menschenwürdegehalts in Art.13 GG .
Schon aus diesem Grunde verbietet es sich, dieses Gesetz zu verabschieden.
Die im Gesetzentwurf enthaltene Definition zur Begleit- und Kontaktperson ist derart weit gefasst, dass ein beliebiger Personenkreis planmäßiger Überwachung ausgesetzt werden kann, was auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben bezüglich einer Konkretisierung zuwiderläuft.
Bei der Erhebung von Daten zur Eigensicherung wird es dem Zollkriminalamt ermöglicht praktisch ohne jegliche zeitliche Begrenzung Wohnungen optisch und akustisch zu überwachen. Womit dies auch missbräuchlich zur Verfolgung anderer unbestimmter Taten genutzt werden kann, zumal diese Überwachung auch ohne jeden Anfangsverdacht und ohne Konkretisierung hinsichtlich eines Tatbestandes zur Aufdeckung unbekannter Straftaten anwendbar sein soll.
Diese Möglichkeit der Datenerhebung zur primären Eigensicherung mit anschließender Weiterverwendungsmöglichkeit der Daten wird von Fachleuten als „trojanisches Pferd für Datenerhebung“ bezeichnet. Aber auch das scheint die Koalition nicht zu interessieren. Immerhin hat sie wenigstens die Umwidmung der Daten mittlerweile eingeschränkt.
Soweit eine Aufzeichnung von Daten nur dann zu unterbleiben hat, wenn diese ausschließlich den Kernbereich privater Lebensgestaltung beinhalten, ist dies von den Sachverständigen als Placebo fürs Bundesverfassungsgericht bezeichnet worden, da diese Regelung in der Praxis nie zur Anwendung kommen dürfte. Denn es ist von vornherein nicht auszuschließen, dass neben höchstprivaten Inhalten auch andere Themen Gesprächsinhalt sind.
Die Schutzfunktion des § 23a Abs.4a läuft damit ins Leere.
Ich denke nicht, dass das Bundesverfassungsgericht darauf hereinfällt.
Die Differenzierung bei der Überwachung der Kommunikation von Berufsgeheimnisträgern lässt sich rechtssystematisch nicht halten- sie dürfte willkürlich sein. Eine große Gruppe der zur Zeugnisverweigerung Berechtigten wird damit praktisch schutzlos der Überwachung ausgeliefert. Hierzu gehört u. a. auch die Presse, deren überragende Stellung für die Demokratie das Bundesverfassungsgericht im CICERO- Urteil erst kürzlich wieder konstatierte. Mit den Zeugnisverweigerungsrechten kann dadurch auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehöhlt werden.
Leider lässt es die mir zugestanden Zeit nicht zu auf weitere Einzelheiten, wie zum Beispiel die vollständige Auslassung von Kernbereichsschutz außerhalb des Geltungsbereichs von Art.10 und 13 GG, einzugehen. Ich denke, den Auftrag aus Karlsruhe, auf den die Koalition hier wartet, wird sie noch bekommen.
Solange Gesetze wie hier mit der bewussten Möglichkeit (man könnte schon von bedingtem Vorsatz sprechen) beschlossen werden, dass sie vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern - einmal reicht offensichtlich nicht - wird das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat und auch die Sicherheit der Fahndungsbeamten bezüglich der Beständigkeit von Vorschriften weiter schwinden. Welcher Beamte fragt sich schon gerne vor jeder Diensthandlung, ob seine gesetzlich gerechtfertigte Handlung auch verfassungsgemäß ist.
Ich hoffe, dass Sie sich Ihres verfassungsmäßigen Auftrags bewusst sind und dies Gesetzt ablehnen.
Der Kollege Wolfgang Bosbach hat heute hier im Plenum gesagt, ich zitiere:
„Politik muss verlässlich und redlich sein“
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Auf die Abstimmung bin ich gespannt