Vor einem Jahr wurde das völkerrechtliche Abkommen über den Austausch von Kontodaten zwischen Finanzbehörden der Unterzeichnerstaaten geschlossen. Ziel des Abkommens ist es, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung durch die Nutzung von Konten im Ausland zu bekämpfen. Das Abkommen gibt den Steuerbehörden die Möglichkeit, Auslandskonten durch einen Datenaustausch weltweit nachzuspüren.
Dieses Abkommen erfüllt eine langjährige Forderung der LINKEN ! Wir werden daher das Zustimmungsgesetz zum Abkommen selbstverständlich unterstützen.
Was uns der Bundesfinanzminister darüber hinaus zur Beratung vorgelegt hat, verdient nicht einmal die Note ungenügend. Mit dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz soll der vereinbarte Datenaustausch gesetzlich geregelt werden. Die Stümperhaftigkeit dieses Werkes lässt mich fassungslos und ratlos zurück.
Es ist eine Ansammlung 1:1 kopierter Textpassagen aus der EU-Amtshilferichtlinie und dem Abkommen. So ist z.B. § 25 des Gesetzentwurfes - mit der schon unverständlichen amtlichen Überschrift „Trusts, die passive NFEs sind“ - der Text der Nr. 5 Anhang II der EU-Amtshilferichtlinie. Der strukturlose Entwurf wimmelt von unverständlichen Formulierungen, Doppelungen und Leerplätzen. Unzählige Definitionen sind völlig sinnfrei: Ein „Neukonto natürlicher Personen“ ist überraschend definiert als „ein Neukonto, dessen Inhaber eine natürliche Person ist“. Ein „passiver NFE“ ist ein „NFE, der kein aktiver NFE ist“.
Offenkundig ist im Bundesfinanzministerium weder das vom Bundesjustizministerium herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit noch die seit 2009 bestehende Sprachberatung in den Bundesministerien für verständliche Gesetze bekannt. Im Vorwort zum Handbuch der Rechtsförmlichkeit heißt es mahnend: „Es geht aber nicht nur darum, dass eine Vorschrift juristisch stimmig ist. Wenn sie die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und die Rechtsanwender erreichen soll, muss die Norm auch übersichtlich gestaltet, klar und verständlich formuliert sein“. Nichts, aber auch gar nichts davon erfüllt dieser Entwurf !
Auch scheint das Bundesfinanzministerium nicht zu wissen, dass Richtlinien und völkerrechtliche Verträge weder nach ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Struktur noch nach ihrer Zielgruppe überhaupt dazu geeignet sind, wörtlich übernommen zu werden. Das nationale Recht ist den Richtlinien anzupassen und hat völkerrechtliche Verträge umzusetzen. Verbindlich ist das Ziel, nicht die Form. So steht es im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
Schon formell ist das Gesetz handwerklich ein Totalschaden und so miserabel, dass sich die Fehler in unserem Haus nicht mehr beheben lassen. Ich habe aber auch inhaltliche Bedenken. Als Finanzpolitiker streite ich für maximale Transparenz im Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Als Rechtspolitiker sehe ich, dass der automatische Datenaustausch Fragen des Datenschutzes - und damit Grundrechte - vital berührt. Bei der Unterzeichnung des Abkommens hat die Bundesrepublik zwar die Verwendung der Daten für andere Zwecke als die Besteuerung untersagt und die Zustimmung an die Wahrung des Datenschutzes geknüpft.
Nur finden diese richtigen Beschränkungen keinen Niederschlag im Ausführungsgesetz. Mit dem Gesetz werden Finanzinstitute verpflichtet, Daten - wie z.B. Namen, Geburtsort, Geburtstag, Steuernummer, Kontensalden, Zinsen - zu erheben und an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Dieses speichert und überträgt die Daten automatisch auf Abruf ins Ausland.
Der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten ist damit die anlasslose Vorratsdatenspeicherung im Steuerrecht. Ich bezweifle, dass der Entwurf der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung und zum automatisierten Kontenabruf gerecht wird. Ich sehe im Entwurf keine klaren und präzisen Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. Ich sehe auch keine Regelungen, die einen wirksamen Schutz personenbezogener Daten vor Missbrauchsrisiken, vor unberechtigtem Zugang und unberechtigter Nutzung gewährleisten. Ein Schutz, der bei einer Vielzahl von Unterzeichnerstaaten mit völlig unzureichendem Datenschutzniveau zwingend ist.
Abschließend lassen Sie mich erneut für die Abschaffung der Abgeltungssteuer werben. Lieber „25 Prozent von X, statt 42 Prozent von nix“ ließ der damalige Bundesfinanzminister Steinbrück verlauten. Der tragende Grund für die Abgeltungssteuer war die Angst vor einer Kapitalflucht ins Ausland. Mit der Umsetzung des Abkommens entfällt dieser Grund. Lassen Sie uns endlich mehr Steuergerechtigkeit herstellen und Kapitalerträge in Zukunft wenigstens genauso besteuern, wie Arbeitseinkommen.