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Über Ministerin Schröders Erfolge reden, heißt schweigen

Rede von Steffen Bockhahn,


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin jetzt seit ziemlich genau drei Jahren Vater. Natürlich kommt nun der Spruch: Wann kommt denn das nächste? Die Antwort behalte ich für mich; denn das geht Sie nichts an. Ich erwähne das aber, weil ich Ihnen sagen möchte: Für mich wäre ein weiteres Kind in finanzieller Hinsicht kein Problem. Wie viel ein Bundestagsabgeordneter im Durchschnitt verdient, wissen Sie alle ziemlich genau.
(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Dann ran!)


- Es reicht für mehrere Kinder; das ist wahr.
Allerdings kenne ich viele in meiner Altersgruppe, bei denen sich die Frage deutlich anders stellt. Das ist deswegen der Fall, weil meine Damen und Herren, das ist auch im Jahre 2012 noch bittere Realität Kinder nach wie vor das größte Armutsrisiko in der Bundesrepublik Deutschland sind. Das ist fatal, das muss anders werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist so, weil das Geld, das wir ausgeben, falsch verteilt wird. Nun wurde die große Evaluation der familienpolitischen Leistungen angekündigt. Ich hoffe, dass diese etwas pünktlicher vorgelegt wird als der Bericht zum BAFzA. Die Frist zu dessen Vorlage wurde einmal offiziell verlängert, dann ohne Begründung noch einmal. Wir sollen ihn in den nächsten Tagen bekommen, aber wann genau, weiß ich nicht. Ich hoffe, noch vor dem Bericht über die Evaluation der familienpolitischen Leistungen. Wir werden sehen.
Kinderfreundlichkeit in dieser Gesellschaft funktioniert aber auch deswegen nicht, weil die Arbeitswelt eben nicht familienfreundlich ist und weil nichts passiert, um das zu verändern. Frau Ministerin, Ihre Analyse war nicht falsch; allerdings vermisse ich echte, konkrete Handlungsansätze, um daran etwas zu ändern. Es ist doch möglich, etwas zu tun.


Was würde denn wirklich helfen? Ein Krippenplatz kostet über 300 Euro für ein Kind. Wer soll sich da drei leisten? Auch Kindergarten, Hort und Schule sind alles andere als kostenfrei. Dabei reden wir noch gar nicht von Ausbildungsberufen. Wenn Ihre Tochter beispielsweise Ergotherapeutin werden will, dann wird sie das nicht einfach so tun können, sondern sie muss im Regelfall sehr viel Geld für die Ausbildung bezahlen. Ergotherapeutinnen kümmern sich vorzugsweise um kleine Kinder, die Defizite haben. Es wäre gut, wenn sich der Staat mehr darum kümmern würde.
(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich wollen Eltern ihren Kindern eine solche Ausbildung ermöglichen.
Eine kostenlose Infrastruktur schafft Sicherheit. Deswegen brauchen wir eine kostenfreie Infrastruktur bei Krippen und Kindergärten. Wir brauchen einen ordentlichen Kündigungsschutz für Eltern, der Verlässlichkeit schafft. Wir brauchen auch endlich das Ende der massenhaften prekären Beschäftigung; denn nur wer dauerhaft beschäftigt ist, hat auch Vertrauen in die Zukunft und wird sich für Kinder entscheiden. Alles andere bleibt eine Lüge.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen ebenso einen real durchsetzbaren Anspruch auf Teilzeitarbeit. Ich weiß, dass es formal gesehen die gesetzlichen Regelungen dazu gibt. Aber in der Praxis ist das eine Farce. Wenn Sie bei einem mittelständischen oder kleinen Unternehmer beschäftigt sind, der Schwierigkeiten hat, einen Arbeitsplatz anders zu besetzen, dann haben Sie ernsthafte Schwierigkeiten, Ihren Rechtsanspruch auf eine Teilzeitstelle durchzusetzen bzw. dann, wenn die Teilzeitphase beendet ist, wieder auf eine ganze Stelle zurückzukehren. Wir brauchen deutlich klarere Regelungen und im gegebenen Fall auch eine Unterstützung für die Unternehmerinnen und Unternehmer, damit diese das umsetzen können. Auch muss die Weiterzahlung des Gehalts bei Krankheit der Kinder deutlich länger als zehn Tage erfolgen. Unter Dreijährige sind sehr schnell einmal länger als zehn Tage krank.


Wir müssen aus meiner Sicht auch den Steuerfreibetrag für Kinder abschaffen. Warum ist es nach wie vor im Jahre 2012 so, dass unterschiedliche Kinder unterschiedlich viel wert sind? Warum habe ich als Bundestagsabgeordneter mit einem guten Gehalt noch einen Steuerfreibetrag für Kinder, von dem ich profitieren kann,
(Beifall der Abg. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))


aber meine Mitarbeiterin, die zweifelsfrei gut bezahlt ist, nicht? Warum ist das Kind meiner Mitarbeiterin nur das Kindergeld wert, meines aber auch noch einen Steuerfreibetrag? Das ist Unsinn, das ist ungerecht, und das ist falsch. Diese Regelung muss abgeschafft werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Genauso muss das Schulgeldprivileg weg. Wir zahlen ganz viel Geld für öffentliche Schulen, die auch gut sind, und wir zahlen ganz viel Geld für Schulen in freier Trägerschaft, die oft auch gut sind. Wir zahlen aber zusätzlich für die Schulen in freier Trägerschaft, indem wir das Schulgeld für die Schulen in freier Trägerschaft anrechnungsfähig bei der Einkommensteuererklärung machen. Warum erzähle ich Ihnen das? Weil die Einkommensteuer eine Bundessteuer ist. Mit dem Geld, das wir hier zusätzlich einnehmen könnten, könnten wir sinnvolle familienpolitische Leistungen anbieten. Dafür wäre das Geld dann da. Wir sind der Gesetzgeber, wir dürfen so etwas machen.
(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich geht es bei Kindern nicht nur um das Geld. Lachen, Zärtlichkeit und die unverwechselbaren Sprüche der lieben Kleinen kann man nicht mit Geld bezahlen. Aber wenn man Verantwortung für Kinder übernehmen will, dann will man ihnen auch etwas bieten. Wenn man kein Vertrauen in die soziale Sicherheit hat, dann wird man sich gegen Kinder entscheiden. Das muss anders werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Caren Marks (SPD))


Man möchte seinen Kindern eine Chance geben. Das aber muss man sich leisten können; denn von der Regierung kommt da eher nichts.
Apropos, man tut nichts: Da sind wir bei der Frauenförderung. Ich wollte jetzt einmal ganz lange über das Gute Ihrer Frauenpolitik, Frau Ministerin, sprechen. Aber ich fand es dann unfair, in der verbleibende Redezeit von 1 Minute und 15 Sekunden zu schweigen.
(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)


Deswegen rede ich jetzt doch über die sensationelle Kampagne zur Flexi-Quote. Keiner außer Ihnen, Frau Ministerin, und natürlich den Männern, die Angst um ihre Jobs haben, fürchtet sich vor einer ordentlichen Quote. Sie machen trotzdem weiter und geben auch noch Steuergelder aus, um der Welt zu sagen, dass die 30 DAX-Konzerne ihre Quote in den Vorständen und Aufsichtsräten bis 2014 um fantastische, unglaubliche halten Sie sich fest, es wird Wahnsinn! 0,82 Prozent steigern.
(Zurufe von der LINKEN und der SPD: Oh!)


Viviane Reding, die EU-Justizkommissarin, will per Richtlinie der EU bis 2020 eine Frauenquote von 40 Prozent durchsetzen. Ich frage mich natürlich, wie Sie dazu stehen. Kämpfen Sie womöglich dagegen? Frau Ministerin, mit diesem Agieren nicht nur bei der Frauenförderung und der Frauenquote, sondern auch mit diesem Haushaltsentwurf reiten Sie ein totes Pferd. Steigen Sie ab! Satteln Sie neu! Oder noch besser: Lassen Sie jemand ran, der Ahnung davon hat!
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)