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Transparenz und Beteiligung der Bürger nur leere Worte – die Gesetzesnovelle zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz

Rede von Sabine Stüber,

Die Bundesregierung will das Klagerecht gegen Umweltbeeinträchtigung noch weiter einschränken und stellt so geltendes Recht komplett auf den Kopf. Selbst der Bundesrat versagt dafür die Gefolgschaft. Diese Gesetzesnovelle ist so nicht haltbar. Die Bundesregierung beugt sich der Wirtschaftslobby und beugt damit EU-Recht. Das werden in der nächsten Woche auch die Sachverständigen der öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses im Bundestag bestätigen. Jede Person hat nach der Aarhus-Konvention, die 2001 in Kraft trat, das Recht auf Information, Beteiligung und Klagemöglichkeit zum Schutz der Umwelt.

Rede zu Protokoll in der Plenarsitzung vom 18.10.2012

zum TOP: 21
Gegenstand: erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und anderer umweltrechtlicher Vorschriften
Drucksache 17/10957

Frau/Herr PräsidentIn,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

zu der heute vorliegenden Novelle der Bundesregierung zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz fällt mir nur noch die Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ ein. Die Debatten um das Recht der Umweltverbände und jeder Person, Genehmigungen von Großvorhaben gerichtlich überprüfen zu lassen, finden in diesem Hause seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit statt.

Worum geht es? Es geht um die Aarhus-Konvention, eine Vereinbarung der europäischen Länder zu mehr Bürgerrechten in Umweltfragen, die 2001 in Kraft trat. In Europa hat seitdem jede Person das Recht auf Informationen über die Einhaltung von Umweltvorschriften bis hin zur Klagemöglichkeit gegen Beeinträchtigungen der Umwelt durch Großvorhaben.

Die Bundesregierung hat dazu mit großer Verspätung, erst 2006, ein sehr halbherziges Gesetz verabschiedet. Und auch das muss gesagt werden, der damalige Bundesumweltminister der SPD, Sigmar Gabriel, hat dabei keine besonders rühmliche Rolle gespielt.

Meine Fraktion hat damals darauf hingewiesen, dass das Gesetz unzureichend ist und mit einem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, umgehend einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, der den geforderten Rechtsschutz aller Umweltbelange durchsetzt. Der Europäische Gerichtshof hat unsere Kritik mit seiner Entscheidung im Mai 2011 bestätigt. Nur wenige Monate später erinnerten die Grünen mit einem Gesetzentwurf die Bundesregierung an ihre nicht erledigte Hausaufgabe.

Nach einem weiteren Jahr haben Sie nun, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, eine Gesetzesnovelle vorgelegt. Aber sie wollen damit das bisher schon unzulängliche Klagerecht in unserem Land noch weiter einschränken! Das ist das Gegenteil von dem, was der Europäische Gerichtshof entschieden hat. Und das ist das Gegenteil von Bürgerbeteiligung, Transparenz und Akzeptanz, die Bundesminister Altmaier vor wenigen Wochen als seine Arbeitsschwerpunkte postuliert hat.

Hier wird geltendes Recht komplett auf den Kopf gestellt. Selbst der Bundesrat versagt dafür die Gefolgschaft. Diese Gesetzesnovelle ist so nicht haltbar. Das werden in der nächsten Woche auch die Sachverständigen der öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses im Bundestag bestätigen.

So durchsichtig präsentiert uns die Bundesregierung ihre Klientelpolitik auch nicht alle Tage. Und wenn die möglichen Auswirkungen auf unsere Lebensumwelt nicht so gravierend wären, hätte das ganze sogar einen gewissen Unterhaltungswert.

Was steckt also dahinter, wenn bei Verstößen gegen Umweltvorschriften das Klagerecht weiter eingeschränkt werden soll? Zeit – es geht um Zeitgewinn für weitere Genehmigungen von Großprojekten, die eben nicht die Umweltstandards einhalten. Wahrscheinlich reicht das dem FDP-Wirtschaftminister Rösler schon. Aber das ist ganz schlechter Stil und wird kaum zur Verbesserung des derzeit schlechten Images der Politik beitragen.

Ich fordere die Bundesregierung heute erneut auf, umgehend einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Rechtsschutz aller Umweltbelange durchsetzt und damit das vom Europäischen Gerichtshof bestätigte uneingeschränkte Informations- und Klagerecht für alle Personen und Umweltverbände gegen die Genehmigung aller Großprojekte, die Umweltvorschriften nicht einhalten. Dabei empfehle ich, den Grünen-Gesetzentwurf aus dem letzten Jahr und den Antrag der LINKEN aus dem Jahr 2006 hinzuzuziehen. Darin findet sich alles, um dieses Gesetz zu dem zu machen, was es sein soll und was die Bürgerinnen und Bürger von ihm erwarten: Die Umsetzung des Gedankens der Aarhus-Konvention, so wie es erstmals im Völkerrecht verankert wurde, in deutsches Recht.

Das heißt, ich sage es zum Schluss noch einmal: Jede Person hat das Recht auf Information, Beteiligung und Klagemöglichkeit zum Schutz der Umwelt.