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Tobias Pflüger: Nein zu diesem AfD-Zwangsdienst

Rede von Tobias Pflüger,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst zwei Vorbemerkungen. Eigentlich hat die AfD hier vier Anträge im Kontext der Bundeswehr angekündigt, aber dann offensichtlich nur zwei auf die Reihe gebracht. Das ist auch irgendwie typisch; aber ehrlich gesagt ist es auch besser so.

(Beifall bei der LINKEN – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Sonst machen die ja nichts!)

Einer der Anträge, die die AfD angekündigt und dann nicht auf die Reihe gebracht hat, wäre der Antrag zu einsatzbedingten psychischen Erkrankungen von Bundeswehrsoldaten gewesen. Das ist ein sehr ernstes Thema. Bei nicht wenigen Soldatinnen und Soldaten treten durch das Agieren in Auslandseinsätzen sogenannte Posttraumatische Belastungsstörungen auf – ein Thema, dem sich das Verteidigungsministerium widmet, aber nicht genug.

Unabhängig davon, dass wir als Linke Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich ablehnen, ist uns das Thema wichtig. Der BundeswehrVerband hat dazu jüngst eine wichtige Studie vorgelegt mit einer Reihe von sinnvollen Vorschlägen, darunter auch, dass nicht nur Menschen in den Einsatzgebieten selbst PTBS haben können, sondern zum Beispiel auch Drohnenpiloten, die in Jagel, Schleswig-Holstein, stationiert sind. Auch hier ist eine Anerkennung von PTBS durch die Einsatzmitwirkung dringend notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Kümmern Sie sich mehr um die Soldatinnen und Soldaten, die nach einem Auslandseinsatz unter den Einsatzerfahrungen leiden. Noch besser wäre es natürlich, die Soldatinnen und Soldaten erst gar nicht in die Auslandseinsätze zu schicken.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zu den Anträgen der AfD, die sie geschafft hat vorzulegen. Was wir in den Anträgen lesen mussten, ist AfD in Reinform: zurück zur vermeintlich guten alten Zeit. Die AfD will die Wehrpflicht reaktivieren – für Männer. Für Frauen soll jetzt die Verpflichtung zu einem Sanitätsdienst für den Verteidigungsfall ausgeplant werden. Was ein Unsinn!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein völlig überkommenes Rollenverständnis.

Da steht doch tatsächlich – ich zitiere –: „Wer aus Gewissensgründen den Ehrendienst nicht antreten kann, hat seinen Beitrag zur zivilen Verteidigung Deutschlands zu leisten.“ Die AfD hat offensichtlich bis heute nicht kapiert, warum es richtigerweise Kriegsdienstverweigerung in der damaligen Wehrpflichtarmee gegeben hat. Bis heute ist die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung wichtig, auch wenn die Bundesregierung dies durch Rückforderung von Ausbildungskosten immer schwieriger macht. Artikel 4 Absatz 3 Grundgesetz ist im Übrigen älter als die Bundeswehr selbst. Die Bundeswehr wurde erst durch die Wiederbewaffnung eingeführt. Das, was Sie quasi mit den Zivildienstleistenden machen wollen – Sie wollen sie zu zivilen Helfern der Bundeswehr degradieren –, das war nie Gedanke beim Zivildienst.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was die AfD will, ist „zurück in die alte Zeit“, diesmal mit Kasernierung, zwölf Monaten Drill für alle jungen Männer. Und es ist schon interessant, was im Antrag nicht drinsteht.

(Zuruf des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD])

Ich habe mir extra mal Ihre Broschüre „Streitkraft Bundeswehr“ angeguckt; ich musste sie lesen.

(Rüdiger Lucassen [AfD]: Das haben Sie gut gemacht!)

Dort steht drin, warum Sie das Ganze wollen. Da schreiben Sie nämlich: „Deutschland erhebt Anspruch auf eine militärische Führungsrolle in Europa.“ Aha! Dafür will also die AfD mehr Soldaten. Da sagen wir als Linke klipp und klar: Solche deutschen Großmachtfantasien lehnen wir ab. Das hat schon mehr als einmal zu Tod und Verderben geführt.

(Beifall bei der LINKEN)

Was die AfD hier propagiert, ist der alte Militarismus. Die Bundesregierung hat ja leider einen Rekordmilitärhaushalt mit einem Volumen von 53,1 Milliarden Euro nach NATO-Kriterien vorgelegt. Aber selbst das ist der AfD nicht genug. Jetzt sollen es noch mehr Soldaten – und ein paar Soldatinnen – werden. Die AfD ist eine Partei der Aufrüstung. Wie heißt es in dem Antrag? Zitat:

"Der Personalkörper muss unter Bedrohung aufwachsen und im Extremfall die Bundeswehr auf Kriegsstärke bringen können."

Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was wir als Linke fordern. Wir wollen keine Aufrüstung, keine Militarisierung der Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Nein, die Abschaffung! – Henning Otte [CDU/CSU]: Und trotzdem stimmen Sie oft zusammen ab!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Broschüre steht zum Beispiel auch:

"Mit dem Wehrdienst wird auch der Wehrwille des deutschen Volkes gestärkt."

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Oh! Eijeijei!)

Es ist schon interessant, was Sie hier so als Ihre Positionen formulieren. Und was sagte Herr Gauland?

"Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt."

(Zuruf von der LINKEN: Das ist auch gut so!)

Und warum? Weil sie – ach, wie schlimm! – Gewalt nicht als legitime „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ betrachteten wie Clausewitz. Da wird es doch ganz deutlich: Die AfD will die Remilitarisierung der Gesellschaft, und sie will das Militär als ganz normales Mittel der Politik etablieren. Dazu sagen wir klipp und klar Nein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Wehrpflicht ist ausgesetzt. Das ist gut. Das wieder umzukehren, hilft niemandem. Die Bundeswehr wäre auf eine Wehrpflicht nicht vorbereitet. Was wir wollen, ist, dass die Wehrpflicht nicht nur ausgesetzt wird, sondern abgeschafft wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundeswehr jetzt zu vergrößern, wäre eine Gefahr für Frieden in Europa. Es wäre das grundfalsche Signal. Was wir brauchen, sind Abrüstung und Rüstungskontrollverträge. Aber davon versteht die AfD sowieso nichts. Das kann sie nicht, und das sollte sie auch besser lassen.

Die Wehrpflicht ist aus der Zeit gefallen, so wie die Antragsteller auch. Wir lehnen diesen AfD-Zwangsdienst selbstverständlich ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)