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Tempolimit für mehr Sicherheit auf Autobahnen!

Rede von Herbert Behrens,

Herbert Behrens (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorsitzende der SPD unterstützt in der Frage eines Tempolimits auf Autobahnen das Wahlprogramm der Grünen, aber auch den Entwurf unseres Wahlprogramms, das wir noch beschließen werden,

(Heiterkeit des Abg. Florian Pronold (SPD))

und fordert Tempo 120 auf Autobahnen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Koalition steht! - Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Kanzlerkandidat der SPD unterstützt hingegen lieber das Wahlprogramm der CDU und sagt: Es darf jetzt auf keinen Fall eine Debatte über ein Tempolimit geben. - Es wird wohl auch nicht zu einem Tempolimit kommen.

(Zuruf von der FDP: Sehr gute Zusammenfassung!)

Das ist natürlich eine Steilvorlage für die Koalition ‑ das ist klar ‑, und wir hören, wie genüsslich dieser Widerspruch innerhalb der SPD hier in der Aktuellen Stunde zelebriert wird. Aber nach dem Ende dieser Debatte wird dieses Thema vermutlich wieder in der Versenkung verschwinden, und das will ich nicht zulassen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich fordere die Regierungsfraktionen und auch die SPD-Fraktion auf, sich der Frage der Schaffung von mehr Verkehrssicherheit auf allen Straßen zuzuwenden. Diese Frage gehört auch in den Wahlkampf. Warum? Die Tatsache, dass es auf Deutschlands Straßen viele Verkehrsopfer gibt, die durch zu schnelles Fahren zu Tode kommen oder lebenslang mit den Folgen ihrer Verletzungen leben müssen, zwingt uns dazu, jeden Vorschlag zu prüfen, der darauf abzielt, mehr Verkehrssicherheit zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen endlich mehr für den Schutz der Verkehrsteilnehmer tun, unabhängig davon, ob sie im Auto, auf dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind. Wir brauchen eine Diskussion und eine richtige Beschlussfassung zur Frage: Wie gehen wir mit den Geschwindigkeiten um? Ich finde es schlimm, wie die Regierungsfraktionen - das hat sich eben in Ihren Redebeiträgen, aber auch in den letzten Tagen in Ihren Pressemitteilungen und Statements gezeigt - gegen einen Vorschlag polemisieren, der darauf zielt, die Zahl der Unfalltoten auf deutschen Autobahnen erheblich zu reduzieren.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle ist Wahlkampfgetöse völlig unangebracht.

Vor allem der angeschlagene Ton muss für die Unfallopfer und deren Angehörige unerträglich sein. Wenn der FDP-Generalsekretär Patrick Döring

(Patrick Döring (FDP): Anwesend!)

in der Bild am Sonntag behauptet, die Oppositionsparteien wollten „den Menschen ihr Weltbild aufzwingen und ihnen das Autofahren vermiesen“,

(Beifall des Abg. Oliver Luksic (FDP) - Patrick Döring (FDP): So ist es!)

und die entsprechende Programmatik als „Gegenprogramm zu einer Republik freier Bürger“ bezeichnet, dann unterschreitet er damit selbst das Niveau der Bild-Zeitung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um jetzt Sachlichkeit in die Debatte zu bringen, die ich sowohl in der Presseberichterstattung als auch teilweise hier in der Debatte vermisst habe, möchte ich mich an die Fakten halten. Wir reden über ein verkehrspolitisches Relikt, das in anderen Ländern der Welt eigentlich schon längst verschwunden und überwunden ist. Deutschland ist neben Afghanistan, Bhutan, Haiti, Nepal und Somalia das einzige Land, in dem die Höchstgeschwindigkeit nicht gedeckelt ist. Auch wenn Autobahnen im Vergleich zu Landstraßen als sicherer gelten, so müssen wir doch sehen, dass 42 Prozent aller schweren Unfälle auf Autobahnen Geschwindigkeitsunfälle sind. Ein Tempolimit wäre ein viel effektiverer Beitrag für mehr Verkehrssicherheit, Herr Storjohann, als Ramsauers vermurkste Punktereform, über die wir morgen zu diskutieren haben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Tempolimit führt zu flüssigerem Verkehr ‑ das stellen wir als Autofahrerinnen und Autofahrer sicherlich fest ‑ und weniger Staus, die aufgrund hoher Geschwindigkeitsunterschiede entstehen. Durch Raserei entstehen vielfach gefährliche Situationen. Ein Tempolimit würde Unfälle vermeiden. Faktisch ist es schon heute so, dass auf 98 Prozent aller deutschen Straßen Tempolimits gelten ‑ das sagen auch die Verkehrsverbände ‑, auf 40 Prozent der bundesdeutschen Autobahnen gibt es ebenfalls Geschwindigkeitsbeschränkungen; darauf wurde ja schon hingewiesen.

In den vergangenen Jahren sind noch weitere Argumente hinzugekommen als die der Verkehrssicherheit. Gerade an Autobahntrassen ist die Lärmbelastung für Bürgerinnen und Bürger extrem hoch. Sie fordern Lärmschutz und Lärmschutzwände, die sie aber nicht bekommen, weil sie nicht an Neubaustrecken wohnen, sondern an alten Strecken.

Auch nicht neu sind die Argumente, die aus Umweltschutzgründen für eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf Autobahnen sprechen. Die Fachverbände weisen darauf hin, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 120 Kilometer pro Stunde den CO2-Ausstoß um 9 Prozent senken würde; das entspräche ungefähr 3,4 Millionen Tonnen CO2, das ist mehr, als der gesamte Schienenverkehr in Deutschland verursacht.

Die Debatte über ein generelles Tempolimit ist schon alt, damit hat Herr Steinbrück durchaus recht. Doch bislang ist diese Idee an der Lobbyarbeit der mächtigen Autokonzerne gescheitert. Auch Rot-Grün hat vor ihnen gekuscht, obwohl es eine Mehrheit für die Einführung eines Tempolimits gab. Sie haben das Thema umschifft und es gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt.

Alle Argumente liegen auf dem Tisch. Nehmen wir diese Argumente ernst und knicken nicht gleich wieder ein, nur weil uns Gegenwind ins Gesicht pustet. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben den Wählerinnen und Wählern auch in dieser Frage noch einiges zu erklären. Wenn Sie schon mal beim Erklären sind, dann erklären Sie doch auch die Position der SPD zur Rente erst mit 67! Oder hat der Kanzlerkandidat seinen Schattenminister möglicherweise schon korrigiert?

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Stefan Ruppert (FDP): Ihr müsst das in jeder Rede unterbringen, oder?)