Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde schon viel gesagt. Wenn wir über syrische Flüchtlinge, Menschen in Not reden, möchte ich ihnen jetzt einmal ein Gesicht geben; sonst ist das immer so allgemein. Ich denke zum Beispiel an zwei junge Syrer, Anfang zwanzig, in einem griechischen Polizeigefängnis mitten in Athen, die ich Anfang des Jahres getroffen habe. Sie hatten eine weite, gefährliche Reise hinter sich gebracht, über die Türkei, und sind dann in Athen aufgegriffen worden, gefesselt und ins Polizeigefängnis gesteckt worden. Der eine schaute mich nur an und sagte: Ich dachte, Europa ist demokratisch, hier herrschen die Menschenrechte, und die Menschenwürde wird respektiert. - Was sollte ich da sagen? Ich sagte: Ja. Wir versuchen zu helfen. Es ist nicht richtig, dass Sie hier gefangen genommen worden sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Das waren nur zwei von sehr vielen, die ich in den letzten Monaten in griechischen Haftanstalten bzw. Flüchtlingsgefängnissen gesehen habe.
Ich denke aber auch an eine Syrerin, die mit einem Deutschen verheiratet ist und jetzt in Syrien, in Damaskus, auf ihr Einreisevisum wartet. Es hat ein paar Probleme gegeben, da die Heirat nicht nach deutschen Standards erfolgt ist. Sie haben nämlich in der Golfregion, in Dubai, geheiratet. Beide mussten das Land verlassen, nachdem er seine Arbeit verloren hatte. Er ging zurück nach Deutschland, sie nach Syrien. Er hat mittlerweile wieder eine Arbeit, und wir hoffen, dass wir sie jetzt bald mit einem gültigen Visum einreisen lassen können.
Ich kenne Hunderte von Fällen ‑ Sie kennen vielleicht auch ein paar ‑, bei denen es ‑ Herr Schröder hat es eben gesagt ‑ an Kleinigkeiten fehlt. Eine Familie hatte zum Beispiel bis auf ein kleines Papier der Krankenversicherung sämtliche Papiere zusammen. Und es gibt sehr viele Papiere, die man neben einem hohen regelmäßigen Einkommen, einer Krankenversicherung usw. nachweisen muss. Aufgrund dieses kleinen fehlenden Papiers der Krankenversicherung durfte jemand nicht einreisen.
(Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Es gibt aber auch andere Beispiele, Frau Kollegin!)
Ich hoffe, ich habe Sie gut gehört, Herr Annen und Herr Dr. Schröder. Sie haben gesagt, wir müssten mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das ist schön. Ich werde das beobachten und immer einfordern.
Ich habe mich oft gefragt: Was wäre bei uns in Deutschland eigentlich los, wenn wir in den letzten zwei Jahren 20 Millionen Flüchtlinge hätten aufnehmen müssen? Das entspricht nämlich ungefähr der Relation Bevölkerung/Flüchtlinge im Libanon. Dort ist jeder Vierte ein Flüchtling. Was wäre auf Rügen oder Sylt los, wenn jeden Tag ‑ im Sommer besonders ‑ Flüchtlingsboote aus der Türkei anlanden würden?
Vor Lesbos ‑ dort war ich auch ‑ ertrinken jeden Tag Menschen. Das ist eine Schande! Es ist vor allen Dingen eine absolute Menschenrechtsverletzung, wenn die griechische Küstenwache, teilweise unterstützt durch Frontex, Flüchtlingsboote wieder zurück in türkische Gewässer schiebt, damit sie bloß nicht in griechischen Gewässern landen und dort Hilfe benötigen. Das ist passiert. Der letzte Fall wurde schon erwähnt. Pro Asyl und Amnesty International haben kürzlich eindrückliche Berichte darüber verfasst. Das ist eine Schande für Europa!
(Beifall bei der LINKEN)
Europa muss also etwas tun. Wir müssen helfen und auch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Daneben müssen auch die dringend notwendigen Finanzzusagen eingehalten werden. Bei einem Bedarf von mindestens 5,5 Milliarden Euro wurden 1,7 Milliarden Euro bewilligt. Auch das ist eine Schande!
Ich bedanke mich und hoffe, dass diese Debatte bei uns hängen bleibt und uns verpflichtet, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und die Hürden etwas zu senken.
Danke.