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Sylvia Gabelmann: Psychiatrie - Zwangsmaßnahmen müssen mit Grundrechten vereinbar sein

Rede von Sylvia Gabelmann,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! Immer wieder muss der Gesetzgeber erst durch Gerichtsurteile dazu gezwungen werden, bei Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie eine Rechtssituation herzustellen, die mit den Grundrechten der Betroffenen vereinbar ist. Das sollte jeder und jedem in diesem Haus sehr zu denken geben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Heute legen Sie, wie schon 2013 und 2017, einen Gesetzentwurf vor, der die gerichtlichen Mindestanforderungen erfüllt, aber an der Behandlungssituation der Betroffenen kaum etwas ändern wird. Ich denke aber, ein Weiter-so darf es beim Thema „Zwang in der Psychiatrie“ nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schauen Sie sich die erschütternden Zustände an, die unter anderem in der jüngsten Reportage des Teams ­Wallraff dokumentiert werden. Schauen Sie sich die riesigen Unterschiede an, wie häufig Zwangsmaßnahmen in den unterschiedlichen Regionen und Einrichtungen stattfinden. Es gibt Kliniken, die die Rate der Gewaltanwendung auf unter 1 Prozent gesenkt haben, während sie in anderen Einrichtungen an die 20 Prozent beträgt. Ob jemand fixiert wird, hängt demnach mehr davon ab, wo und von wem er behandelt wird, als davon, welche Erkrankungen er hat, und das darf nicht so bleiben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie tun so, als seien Zwangsfixierungen unumgänglich. Dabei ist die Fixierung an das Bett, die hierzulande oft stunden-, ja sogar tagelang dauert, in Großbritannien ganz verboten, und Sie wollen jetzt einfach eine Unterschrift mehr zur Genehmigung vorschreiben und verkaufen das als Stärkung der Betroffenenrechte. Ich finde das skandalös.

(Beifall bei der LINKEN)

Für Die Linke sage ich Ihnen ganz klar: Zwangsfixierungen sind für uns, wenn überhaupt, nur das allerletzte Mittel im Notfall. Um wirklich etwas für die Betroffenen zu verbessern, sorgen Sie doch für eine angemessene Personalausstattung in den Einrichtungen. Machen Sie sich für Krisenräume stark. Setzen Sie in Krisensituationen auf das Festhalten durch Pflegekräfte statt auf das Festschnallen. Stärken Sie Behandlungsvereinbarungen und Patientenverfügungen, und schreiben Sie endlich präventive Deeskalationskonzepte vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind überzeugt: Alleine dadurch könnten sehr viele Zwangsbehandlungen überflüssig werden. Und: Nehmen Sie den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu Folter ernst, der schon 2013 auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention ein Verbot von Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie gefordert hat.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob eine gänzlich gewaltfreie Psychiatrie möglich ist, aber wir müssen doch alles Menschenmögliche tun, um diesem Ziel so nah wie möglich zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu leistet der vorliegende Gesetzentwurf genauso wenig wie die letzten Gesetze. Deswegen werden Sie unsere Zustimmung dazu nicht erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)